Samstag, 30. Januar 2010

Bienne: Rue du Congo

In Biel war Dienstagabend, alles leer. In einer Vitrine lagen Schokoriegel. Twix heisst wieder Raider, aber das nur nebenbei.

Ich traf einen alten Bekannten. Einen, der ziemlich politisch ist. Vor ein paar Jahren, berichtete er, habe ein Antiquitätenhändler in Paris ein Emailschild mit der Aufschrift «Rue du Congo» erstanden und es an die Fassade seines Bieler Hauses gehängt. Das verzierte Gebäude sei in einer schmalen Passage ohne eigenen Strassennamen gestanden. Ein Stadtrat von Rechtsaussen habe dann im Parteiblatt drüber geschrieben.

Der Bekannte kramte einen Zettel hervor, den er offenbar seit Jahren aufbewahrt. Dann las er vor, was der Politiker formuliert hatte: «Ich warne davor, dass unsere Strassenzüge still und illegal anhand der verfehlten Einwanderungspolitik geändert werden.»

Wir verschoben uns von der General-Dufour-Strasse an den General-Guisan-Platz und tranken ein Bier aus Afrika.

Fabian Sommer

Samstag, 23. Januar 2010

Bern: Die Schotten sind nicht dicht

Keine andere Stadt der Welt beschäftige sich so sehr mit sich selbst wie Bern. Das hab ich kürzlich in einem alten Artikel gelesen. Nun: Ich würde mich ja gern mehr mit anderen Städten beschäftigen. Nur geht das so selten.

Jetzt grad ist eine Ausnahme: Ich bin in Edinburgh. Einer anderen halben Hauptstadt. Wo auch alles in Laufweite liegt. Und ich bin ganz entzückt: weil hier alle Museen gratis sind. Weil die Leute Schlange stehen an der Bushaltestelle. Weil sie auf der Rolltreppe rechts stehen und links gehen. Ich setze mich in einen Pub und denke, dass ich gern ein wenig schottische Kultiviertheit nach Bern bringen würde.

Dann setzen sich zwei Frauen neben mich, beide mit einer Flasche Wein. Je! Eine! Ich schaue irritiert in die Zeitung. Und lese, dass viele Schotten täglich Ketchup essen, damit ihr Gemüsekonsum so hoch ist wie von der Regierung empfohlen.

Die Berner sind vielleicht selbstreferenziell und unkultiviert. Aber die Schotten sind doch auch nicht ganz dicht.

Sarah Pfäffli

Samstag, 16. Januar 2010

Bienne: In Grau

In Biel war noch immer Winter. Es hatte Pflotsch, die Schuhe der Menschen in der Stadt waren vom vielen Salz ganz grau. Ich traf einen alten Bekannten. Es gab Kaffee und kroatischen Baumnussschnaps, unser Thema war Fernsehen.

Wir haben in Biel ja einen eigenen Sender, TeleBielingue. Und auf ebendiesem sagte die Moderatorin kürzlich Impressionen aus dem winterlichen Biel an. Man sah: drei Tauben. Auf grauem Platz. Vier Schwäne. Auf grauem See. Einen kleinen Jungen mit Schlitten. Auf grauem Schnee. Eine Ansicht der Stadt vom etwas höher gelegenen Tierpark aus. In Grau.

Wir seufzten leise über unser Fernsehprogramm, gingen nach draussen und rauchten eine. Am Strassenrand lugte ein Maiglöckchen aus der Matschdecke. Vis-à-vis zungenküsste ein Punker mit Hund seine Freundin.

Ich glaubte, im grauen Zigarettenrauch einen Hauch Frühling zu erkennen.

Fabian Sommer

Samstag, 9. Januar 2010

Bern: Kleinmut

Immer an Feiertagen erinnere ich mich daran, was ich an Bern hasse. Dann versteckt sich in meiner Strasse ein Securitas-Rentner. Den ganzen Tag lang, oft in bitterer Kälte, lauert er darauf, dass jemand an! einem! Feiertag!! seinen Abfall in der Recyclingstation des Quartiers entsorgen will. Dann hüpft er aus seinem Hinterhalt und füllt einen Bussenzettel aus. Sein unterdrückt freudiger Gesichtsausdruck dabei erinnert mich an die Mine der Berner Tramkontrolleure, wenn sie – inkognito, aber mit Umhängetasche und MBT-Schuhen doch unfreiwillig uniformiert – einen Schwarzfahrer erwischen. Oder an die Gesichter der Leute im Bus, die schadenfreudig schauen, wenn man vergeblich auf den Türknopf drückt – und der Bus schliesslich doch ohne einen davonfährt.

In Situationen wie diesen wird es sichtbar: Berns kleinmütiges Gesicht. Nicht die Einwohnerzahl macht eine Stadt zur Metropole. Sondern die wahre Grösse ihrer Bewohner. Deshalb voilà mein Wunsch für 2010: nachhaltiges Wachstum. Messi.