Samstag, 29. Mai 2010

Bern: Hobby-Gastronomie

Hier droht wieder mal eine hübsche Bar zu schliessen. Seit Wochen jammere ich deswegen lauthals und tatenlos – so, wie es sich in Bern gehört. Dabei war ich zuletzt gar nicht mehr oft dort. Denn wenn ich rein wollte, war meist alles voll, und am besten Tisch sassen die Stammgäste und taten wichtig. Und wenns doch mal Platz hatte, machte das Personal grad Pause, und ich kam mir blöd vor zu stören.

Das ist jetzt übertrieben und emotional. Trifft aber auf viele meiner verhinderten Lieblingsbeizen zu. Wo Studis im Service arbeiten, die einem ständig zu spüren geben, dass sie im Fall einen viel tolleren Job verdient hätten und im richtigen Leben super Künstler sind. Da hab ich natürlich ein schlechtes Gewissen, bei denen etwas zu bestellen. Kürzlich, als wir wieder irgendwo ganz dämlich bedient wurden, äusserte mein Gspänli den schönen Satz: In Bern grassiert die Hobby-Gastronomie.

Aber jetzt wird alles gut. Ich habe ein neues Lieblingslokal. Es hat einen Grill, und das Personal ist ganz vorzüglich.

Mein Balkon ist im Fall ein absoluter Geheimtipp.

Sarah Pfäffli

Samstag, 22. Mai 2010

Bienne: Keinen Umweg wert

In Biel war alles en ordre. Die Leute hatten sich Mühe gegeben vor dem Spiegel; die Häuser in der Altstadt schienen in der Abendsonne noch pittoresker als sonst. Auf den Pflastersteinen zeichnete sich der Schatten einer mächtigen Linde ab. Die Bielerinnen waren mit Velos unterwegs.

Es gab Rum mit geschmolzenem Honig und Zitronensaft. Eine Brise Heimatstolz umwehte meine Seele.

Ich traf einen alten Bekannten, der mehrere Jahre im Ausland gelebt hatte und mittlerweile ins Seeland zurückgekehrt ist. Er erzählte, was ihm am Ende der Welt half, wenn ihn das Heimweh schier zerriss: Er las Reiseführer über Biel.

Gutes über Biel lesen tönt sehr gut, dachte ich. Ein paar Tage später stand ich in der Buchhandlung. Ich nahm den «Lonely Planet» über die Schweiz aus dem Regal. Auf Seite 239 stand: «Biel ist nicht hübsch, düster und keinen Umweg wert.»

Fabian Sommer

Samstag, 15. Mai 2010

Bern: Pssst

Pssst. Ich sag jetzt mal was, aber das darf man in Bern nicht zu laut sagen. Weil hier will man die Dinge nicht verschreien. Könnte ein schlechtes Omen sein, zu früh darüber zu sprechen, findet sogar der Lauener. Also besser nur flüstern. Weil es geht hier nicht um den SCB, dort ist man sich Erfolg gewohnt, da darf man auch mal blöffen und selbstbewusst rumgröhlen. Das Thema hingegen, das ich hier besprechen will, ist eben sehr delikat. Und wir Berner mögens normalerweise nicht so gern laut. Geübt durch jahrelanges, stilles Leiden. Wir lamentieren nach Niederlagen nicht gross, weil wir eigentlich grundsätzlich davon ausgehen, dass wir eh verlieren. Wir jammern nur ganz leise. Und wenn wir dann doch mal gewinnen, ist das dann mehr so Überraschung. Wir mögen Understatement nicht – wir sind Understatement. Deshalb ist das so heikel, was ich gern sagen möchte. Also bloss nicht weitersagen. Pssst. Nicht, dass es jemand hört. Okay? Okay:

YB gewinnt im Fall morgen. Ratzfatz Meister.

Sarah Pfäffli

Samstag, 8. Mai 2010

Bienne: Religion

In Biel war Vollmond. Man sprach über al-Qaida, den Bin Laden des Seelandes, das Burkaverbot. Und über weitere schweinegrippeähnlich aufgebauschte Themen der Stunde.

Ich setzte mich mit einem alten Bekannten in eine Bar, wir suchten Ablenkung. An der Theke sass ein südeuropäischer Mitbieler und soff sich ins Elend. Er hatte soeben seine elfte Stange leer getrunken und war gerade daran, eine Lokalrunde zu spendieren. Der Barkeeper stellte dem Südeuropäer kleine Häppchen aus Brot und gepökeltem Schweinefleischerzeugnis nebens Bier. Der Mann aber lehnte dankend ab. Er sei Moslem und das da auf dem Teller Schweinefleisch. Hallo, geht nicht.

Der Barkeeper lachte. Aber saufen, sagte er, das darfst du dann.

Geistesgegenwärtig antwortete der Südeuropa-Bieler mit einem Spruch, der wohl sämtlichen Religionsdebatten gut täte. Allah, sagte er, sei derzeit in den Ferien.

Fabian Sommer

Samstag, 1. Mai 2010

Bern: Krawall-Touristen

1. Mai, aber hallo! Was hast du dieses Jahr auf Lager? Persönlich hoffe ich zwar (für den Ruf der bei mir beliebten Reitschule), dass es heuer kein blödes Theater gibt. Weil: Krawall unter dem Deckmäntelchen der Politik ist in meinen Augen etwas für verwöhnte Babypunks.

Dachte ich schon letztes Jahr, da war ich am 1.Mai in Zürich. Das war ein ganz formidables Volksfest. Das gebeutelte Arbeitervolk (sprich: Hipster und junge Eltern mit Kindern, die Max und Sophie heissen) genoss seinen verdienten freien Tag und sass auf der Kasernen-Wiese, während draussen der Krieg tobte – ich wusste ja gar nicht, dass Gummischrot gar keine kleinen Kügelchen sind, wie ich mir das immer vorgestellt habe!

Auf dem scherbengepflasterten Weg zum Bahnhof entdeckte ich eine Sprayerei. Ein 031er-Tag. Kenn ich doch!, dachte ich, und vermutete, zu wissen, weshalb es in Bern verhältnismässig ruhig geblieben war. Nicht nur ich –auch Berns Krawallmacher hatten wohl einen 1.-Mai-Ausflug unternommen. Ui.

Sarah Pfäffli