Samstag, 29. Januar 2011

Bienne: Die Sitzung

In Biel war die Nachrichtenlage eindeutig flauer als auch schon in den letzten Monaten. Kein Krimi weit und breit. Dominierende Themen der lokalen Medien waren der Spielnachmittag im Altersheim Neuenstadt sowie der Schutz bedrohter Amphibien in der Region Erlach–Gals.

Nach der Zeitungslektüre hatte ich das dringende Bedürfnis, mich an köstlichen Würstchen gütlich zu tun. Also fuhr ich in ein grosses Einkaufszentrum und stellte mich an den grossen Degustationsstand eines grossen Fleischerzeugnisherstellers. Und siehe da, ich traf einen alten Bekannten. Einen, der auch Journalist geworden ist.

Wir schwelgten ein bisschen in Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit in der Lokalberichterstattung. Auch bei uns ging es oft um Spielnachmittage und bedrohte Kröten. Und natürlich um Sitzungen verschiedener Ortsparlamente. An einem Jahresabschlussessen eines solchen Parlamentes passierte es dann: Der Bekannte kam etwas zu spät und merkte, dass es noch genau einen freien Platz gab, jenen am Tisch der Evangelischen Volkspartei. Hier könne er nicht sitzen, sagte der Bekannte dann sehr laut. Er bete nicht vor dem Essen.

Ein paar Tage später wechselte er den Job. Er macht jetzt ein äusserst erfolgreiches Kinderprogramm beim Fernsehen.

Fabian Sommer

Samstag, 22. Januar 2011

Bern: Der Nabel der Welt

Ich habe ein neues Hobby, es heisst Wohnungssuche. Mehrmals am Tag klappere ich alle Immobilien-Websites ab, und zum ersten Mal schaue ich den «Anzeiger» an, bevor ich ihn wegschmeisse. In den letzten Wochen habe ich viel fürs Leben gelernt. Vor allem, dass alles Gute einen Preis oder einen Haken hat. Das Bijou an der Kasernenstrasse hat keinen Balkon, die Wohnung an der Elisabethenstrasse Laminat, und 2000 Franken für 65 Quadratmeter ist zu viel, sogar an der Breitenrainstrasse.

Ja genau, Breitenrain! Moi! Der 3007er-Fan seit acht Jahren, die Breitsch-für-überbewertet-Halterin, bricht mit einem ihrer wenigen Prinzipien.

Das hätte ich besser nicht getan. Denn wie ich gemerkt habe, beschränkt sich jener Teil des Breitenrains, der wirklich hübsch ist, auf wenige Strassen, und dort wird offenbar nie gezügelt. Und so ist mein neues Hobby eher frustrierend. Neulich träumte mir, ich hätte auf dem Bauch in gotischen Lettern «Breitenrain Parkstrasse» tätowiert.

Es war ein Zeichen, und das deutete ich so: Der Nabel der Welt liegt weiter südlich. Am nächsten Tag schickte ich die Bewerbung für die perfekte Wohnung in der Sulgenau ab. 3007, Baby.

Sarah Pfäffli

Samstag, 15. Januar 2011

Bienne: Die Liste

In Biel war fast schon Fasnacht, und die Einheimischen hatten nicht nur deshalb nichts zu lachen. Regen fiel vom Himmel und traf sich in Tümpeln auf der Strasse zum Tête-à-tête mit liegen gebliebenem Schneematsch. Manche Menschen trugen Tücher vor dem Gesicht. Sie sahen aus wie Terroristen, dabei froren sie nur. Es war zum Davonlaufen.

An einem Verkaufsstand gab es drei Dinge zu kaufen: Tee Rum, Tee Rum spezial und Glühwein. Eine vorzügliche Auswahl in diesen Tagen, sagte der alte Bekannte, den ich an solchen Ständen immer treffe.

Wir erstellten dann eine Liste mit Dingen, auf die wir uns 2011 freuen. Zum Beispiel werden wir an unseren geheimen Badeplätzchen in den See springen und denken, zum Glück pennt das Tourismusbüro, und wir haben diese Plätzchen nur für uns. Wir werden jubeln, weil der FC Biel den FC Basel aus dem Cup schmeissen wird. Wir werden im Frühling ein- bis zweimal am Samstagmorgen vor 10 Uhr aufstehen und mit kleinen Augen über den Flohmarkt bummeln. Wir werden mit schönen Seeländerinnen Liebe machen, wenn es draussen blitzt und donnert oder die Nebelschwaden unsere Stadt zärtlich umarmen.

Wir werden es bald wieder lieben, hier zu leben, so viel stand für uns jetzt fest.

Fabian Sommer

Samstag, 8. Januar 2011

Bern: Silvester, mein Bester

Wer König werden will, der muss einfach den ganzen Kuchen essen. Ich habe jetzt die Krone, dafür Bauchweh. Aber einmal im Jahr darf man das.

Schön ist es mit den einzigen Tagen im Jahr! Je seltener etwas ist, desto höher schätzt man es – lernt jede 14-Jährige in der «Bravo». Gilt auch für Weihnachten. Dieses Jahr spielte ich viel Scrabble, ich bereite mich auf den Lebensabend im Lorraine-Bad vor.

Oder Silvester. Fand ich früher doof. Weil ich meinte, dies müsste die beste Party des Lebens sein, und logo war sie das nie. Allerdings ist zu Hause bleiben und zu zweit gemütlich mit einem Proseccöli anzustossen auch keine Alternative.

Deshalb habe ich irgendwann entschieden, Silvester so zu behandeln, als wäre er ein normaler Samstagabend und nichts Besonderes (in der «Bravo» lernt man fürs Leben) – und er wurde wieder sehr nett. Wir feierten in einer Schmiede, in der jüngere und engagiertere Leute als wir ein Fest organisiert hatten. Dann setzten wir uns im Röckli auf die gefrorenen Velosättel und fuhren in die Vidmarhallen, wo glaubs tollkühne Schauspieler ein Fest organisiert hatten.

Alles war selten und schön. Bis auf die tote Katze am Morgen auf der Strasse, die ich aber nicht als schlechtes Omen deute. Ostern wird sicher super.

Sarah Pfäffli