Samstag, 26. März 2011

Bienne: Bieler Frühling

In Biel war Frühling. Stadtgärtner mit starken Händen setzten in Kreiseln und an Strassenrändern Blumen und Grünzeugs. Die örtlichen Hockeyfans diskutierten über die Fussballnati und andere Randsportler, da ihre Saison früh zu Ende gegangen war wie seit Jahren nicht mehr. Junge und jung gebliebene Damen nahmen kurze Röcke und/oder riesige Sonnenbrillen aus den Schränken und stolzierten durch die Strassen. Und die üblicherweise sehr grimmigen Alkis vor dem Bahnhof waren gut gelaunt wie selten.

Alles passte grad bestens, die Stadt roch förmlich nach Optimismus. Mit einem alten Bekannten besorgte ich deshalb umgehend Grillfleisch und Dosenbier.

Das war eine gute Entscheidung, denn beim Grossverteiler durften wir Zeuge eines weiteren bemerkenswerten Ereignisses dieses noch jungen Bieler Frühlings werden.

Eine ältere Frau mit unschwer erkennbarem Migrationshintergrund irrte orientierungslos durch die Gänge. Plötzlich nahm sie ein gefrorenes Poulet aus der Kühltheke und sprach eine Verkäuferin an. «Das da Mutter. Wo Kinder?»

Die Verkäuferin stutze nur kurz. Dann deutete sie auf das Regal mit den Eiern. Die Frau lächelte zufrieden.

Fabian Sommer

Samstag, 19. März 2011

Bern: Super Sorgen

Mich ärgert jeden Tag ganz vieles: Die alte Frau an der Greyerzstrasse, die uns durch die Gegensprechanlage verkündet, die Wohnung sei jetzt eben schon vergeben; dabei waren wir doch die Ersten, die um einen Besichtigungstermin angefragt hatten. Die beleidigend banalen Songs einer Bieler Popband am Radio. Das schockgefrorene Lächeln der Berner TV-Moderatorin. Das Ziehen in meiner verspannten Schulter. Die Nachbarin, die jeden Morgen das Treppenhaus herunterdonnert. – Solcher Art sind meine Sorgen.

Und nun habe ich ein schrecklich gutes Buch gelesen, es heisst «Das Recht auf Rückkehr» und handelt von einem Professor, der gerade in der Abendsonne vor seinem schönen Haus telefoniert, als er realisiert, dass sein Kind verschwunden ist. Die schlimmste Stelle des Buches ist die, in der der Mann begreift, dass alles, was in seinem Leben bislang von vermeintlicher Bedeutung war, auf der Stelle nichtig ist.

An dieses Gefühl muss ich wieder denken, wenn ich die Bilder aus Japan sehe.

Und so freue ich mich dieser Tage aufrichtig darüber, dass es mir vergönnt ist, mich über doofe Popsongs, die anstrengende Wohnungssuche oder laute Nachbarn aufzuregen. Ich liebe meine kleinstädtischen Probleme wirklich sehr.

Sarah Pfäffli

Samstag, 12. März 2011

Bienne: Im Herzen

In Biel war fast Ausnahmezustand, seit einer Woche. Die höchstens halbprofessionellen Kicker unseres FCB hatten am letzten Donnerstag den millionenschweren FC Basel aus dem Schweizer Cup gekickt. Es war, und dafür gibt es keine anderen Worte: geil, geil, geil.

Der alte Bekannte, den ich traf, war noch im Delirium. Er wolle eine Motion im Stadtrat anregen, sagte er. Das 99-jährige Stadion Gurzelen solle zum Denkmal erklärt werden, darin goldene Statuen der Helden vom 3.3.2011.

Der Bekannte erzählte auch von der Berichterstattung im Vorfeld der Partie. Die Onlineausgabe der grössten Schweizer Zeitung hatte 20 Stunden vor dem Anpfiff von Biel - Basel und nach der Halbfinal-Auslosung getitelt: «Basel muss zu Sion.»

Noch besser war das Staatsfernsehen. Als YB und Thun am Mittwoch ihre Cupspiele verloren hatten, sagte Moderator Matthias Hüppi zu Experte Hanspeter Latour: «Bitter, bitter, alle Berner Mannschaften sind jetzt ausgeschieden.»

Wunderschön, wie die Genugtuung anhält, sagte ich zum Bekannten. Die Genugtuung darüber, wie gnadenlos wir Biennois die arroganten Restschweizer abgestraft hatten. Dafür braucht es keine Denkmäler, so was bleibt in den Herzen.

Fabian Sommer

Samstag, 5. März 2011

Bern: Schau mal!

Manchmal begegnet man Menschen, denen man nicht begegnen möchte. So ist das halt. Aber ist es nicht ein wenig doof, wie viele Leute damit umgehen? Mit Weggucken und verkrampft So-tun-als-ob-ich-sie-nicht-gesehen-hätte? Dabei merkt doch jeder genau, ob so ein Nicht-gesehen-Werden gespielt ist oder echt. Es ist lächerlich.

Grad zweimal ist mir das jetzt mit dem Ex-Freund einer Freundin passiert. Einmal in einer Bar, er musste mich gesehen haben, und obwohl ich keinen Wert drauf legte, sagte ich beim Rausgehen: Hallo, Dings. Er tat totaaal überrascht, aaahh, tschou Sarah! I ha di gar nid gseh! Bla. Nun hätte er sich das peinliche Theater sparen können, wenn er mir vorher einmal kurz zugenickt hätte.

Das nächste Mal am Bahnhof, da stand er und wartete auf jemanden, ich ging zwangsläufig auf ihn zu, er drehte sich ungeschickt um und wartete in eine andere Richtung. Extrem unsouverän. Ich passierte ihn schmunzelnd: Typisch semiurbane Selbstüberschätzung, zu glauben, jeder wolle mit einem reden.

Schon klar, die Leute haben Angst davor, Müntschi geben und blöd smalltalken zu müssen – aber die hab ich ja auch! Deshalb plädiere ich bei allen entfernten Bekannten für ein entspanntes Hey, verbunden mit einem Kopfnicken aus der Ferne. Mängisch isch weniger gnue.

Sarah Pfäffli