Samstag, 29. Oktober 2011

Burn: Erholt euch!

Und dann muss das noch alles sein, die E-Mails, die man schon lange vor sich hingeschoben hat, die Krankenkasse wechseln, die Anrufe, die Wäsche, die Wäsche!, das Bad, die Küche, das Feriengeld umtauschen, die Abwesenheitsmeldung einrichten, die Zeitung abbestellen, die Nachbarin verständigen, die Tickets ausdrucken, die überteuerten Minitübchen Kosmetikzeugs kaufen, die Zehennägel lackieren, das Velo in den Keller stellen, die Tabletten besorgen, den Rucksack aus dem Keller holen, den Kram einpacken, auch die noch feuchten Kleider (die Wäsche!), den Pass suchen, den Kühlschrank ausräumen.

Dann ist Abend, und am nächsten Tag gehts los, das ist schön, aber natürlich erst mal Kopfweh, Entlastungsschmerz, der Körper mag das nicht, so von 100 auf 0, und produziert Phantomstress, und natürlich kann man nicht schlafen, weil immer noch zehn Dinge auf der Liste, die noch erledigt werden wollen, und am Morgen steht man viel zu früh auf und sitzt auf dem gepackten Rucksack und wartet und hat dieses ferientypische flaue Gefühl im Magen von Schlafmangel und Aufregung, und dann muss man auch noch ganz diskret-beiläufig das kleine Säcklein Restmüll an der Tramhaltestelle in den Abfalleimer werfen, so wie die knausrigen alten Damen.

Ferien. Endlich.

Sarah Pfäffli

Samstag, 22. Oktober 2011

Bienne: Wahltag

In Biel war der Altweibersommer passé. Alte Leute aber blieben bei uns im Gespräch. Anfang Woche diskutierte man noch überall über die SCB-Grossväter, die bei ihrer 2:3-Pleite im Bieler Hockeytempel wieder einmal uralt ausgesehen hatten.

Je näher der Sonntag kam, desto mehr drehten sich die Gespräche an Bushäuschen und Bartheken dann aber um die alten Memmen auf den Wahlplakaten. Alte Memmen seien es deshalb, meinte ein alter Bekannter, weil die aktuelle Wahlwerbung selbst gut aussehende junge Menschen zu 98,3 Prozent in hässliche alte Langweiler verwandle. Mit Ausnahme von Hans Stöckli natürlich, dem immer jungen Bieler Ex-Stapi.

Er wisse, dass er nicht der Erste sei, der sich das frage, polterte der Bekannte. Aber weshalb leiste sich eigentlich keine Partei fähige Grafiker und Fotografen? Ich fand keine Antwort. Auch nicht, als ich die Wahlprospekte nochmals durchsah. Es stehen effektiv fast nur Menschen zur Wahl, die als alte Pfeifen mit Schockgefrierlächeln ins Licht gerückt werden.

Und trotzdem haben wir längst gewählt, der alte Bekannte und ich. Schliesslich wollen wir nicht, dass George Shaw selig am Ende mit seinem uralten Satz recht behält. Er sagte: Demokratie ist die Garantie, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.

Fabian Sommer

Samstag, 15. Oktober 2011

Burn: Trottinett, trottiblöd

Kleines Bern-Quiz: Was haben Manager, Kinder und Drogenabhängige gemeinsam? Die Antwort später, erst mal was anderes. Bei uns daheim liegt ein Buch über Schweizer Design rum. Das Erstaunliche daran ist das Cover: Es zeigt einen Mann in Anzug, der auf einem Trottinett die Strasse herunterfräst. Die Autoren hätten ein Bild eines Max-Bill-Möbels wählen können oder einer Uhr oder eines Sparschälers, aber nein. Ein Tretroller als Inbegriff des Schweizer Designs! Das Bild entstand 1998, damals waren Tretroller noch total so Dynamik und Erfolg.

Beim Anblick dieses Fotos realisierte ich, was Manager, Kinder und Drogenabhängige gemeinsam haben: Sie sind die Einzigen, die in Bern noch Trotti fahren. Bei Kindern ist das okay; auch Drogenkonsumenten sind absolut auf schnelle, unkomplizierte und günstige Mobilität angewiesen. Aber Anzugträger? Interessanterweise sind es ja immer Männer, nie Businessfrauen. (Trotti fahrende Frauen bevorzugen eher den postalternativen Look mit Filzkugelkette und Companeros-Schuhen.) Jedenfalls sollten meiner Meinung nach ernsthaft berufstätige erwachsene Menschen nicht trottinettlen. Aber meiner Meinung nach sollten unter 50-Jährige auch keine Elektrovelos fahren. Und ein Stadtpräsident sollte nicht mit dem Wort «geil» operieren. Doch auf mich hört ja niemand.

Samstag, 8. Oktober 2011

Bienne: Alte Weiber

In Biel war eine Sauhitze. Und das im Oktober. Ein alter Bekannter sagte: «Es ist Altweibersommer.» Ich hatte eine Besorgung im schönen Bern zu machen und freute mich auf der A 6, Höhe Münchenbuchsee, schon, dass ich zur Abwechslung einmal aus der Bieler Sonne in die Berner Nebelsuppe (!!!) fuhr, als am Horizont ein rotes Auto auftauchte. Ich dachte kurz an die Feuerwehr, dann an eine Fata Morgana. Doch auf der Überholspur kam tatsächlich eine alte Frau in einem roten VW Golf entgegen. Eine Geisterfahrerin! Solches Zeug liest und hört man ja viel und denkt immer, das erlebe ich nie. Und dann ist es plötzlich so weit, und die Gedanken rasen. Ich ohrfeigte mich schliesslich selber und versuchte im Rückspiegel zu erkennen, ob etwas passiert. Dann rief ich den Staat an. Ich dachte noch, merde alors, der Polizist fragt mich jetzt sicher, ob ich fahre und telefoniere und mich somit quasi selbst anzeige. Aber der Mann sagte nur, er sehe gerade, dass gerade mehrere Meldungen reinkämen wegen dieser Sache. Vier Minuten später hiess es im Radio: Entwarnung, die Geisterfahrerin auf der A 6 zwischen Lyss und Münchenbuchsee konnte aus dem Verkehr gezogen werden, nichts passiert. Vier Stunden später erzählte ich die Story dem alten Bekannten. «Sag ich ja», meinte er, «es ist Altweibersommer.»

Fabian Sommer

Samstag, 1. Oktober 2011

Burn: Teenage Nightmare

Ich habe ein neues Hobby, es heisst: besoffene Teenager zusammenlesen. Es gibt schönere Hobbys, aber was soll ich machen, wenn ich aus dem Zug aussteige und fast über einen Jungen stolpere, der es sich auf dem Perron auf Müllsäcken gemütlich gemacht hat? Dessen letzter Zug nach «Oohhhdiiachhh» (Oberdiessbach) längst abgefahren ist? Dessen Handy keinen Akku mehr hat? Eben. Weil der arme Junge sich auch nicht mehr an die Telefonnummer seiner Eltern erinnern konnte, holten wir halt zu schlechter Letzt die Polizei. Nicht weniger bemitleidenswert der Giel, der mir beim Kursaal entgegentorkelte, alle paar Schritte drohte er aufs Trottoir zu plumpsen, mehrmals tat er das auch. Zwei ältere Frauen schlugen sich entsetzt die Hände vor den Mund, taten aber nichts, also packte ich den Jungen und schleifte ihn zur Tramhaltestelle, wo er sich schön rosarot über seine Schuhe ergab. Er sei 14, sagte er, und habe im Wankdorf Club seine Konfirmation gefeiert. Die Eltern holten ihn eine halbe Stunde später mit besorgter Miene ab. Es war noch nicht einmal Mitternacht.

Ich ging heim und dachte: armer Giel. Morgen wird er grad zweimal Donnerwetter erleben, einmal im Kopf und einmal von den Eltern. Aber vielleicht lernt er was. Zum Beispiel, künftig Bier zu trinken statt Gummibärli.

Sarah Pfäffli