Samstag, 31. Dezember 2011

Bienne: Alles neu

In Biel war der Weihnachtswahn in Geschäften und Strassen vorbei, es war eine Befreiung. Endlich gab es wieder andere Themen als Bäume, Brunsli und den ganzen anderen Bullshit.

Zum Apéro traf ich einen alten Bekannten; einen, der alles Neue und Innovative und Mutige grundsätzlich teuer, unrealistisch und doof findet. So wetterte er denn auch gegen das seiner Meinung nach völlig überflüssige Regiotram, das in zehn Jahren das linke Seeufer mit dem Bözingenfeld im Osten unserer Stadt verbinden soll.

Ich konnte dann zum Glück für einmal mit historischem Wissen punkten. 1877 nämlich, so las ich kürzlich, wurde in Biel ein Rösslitram eingeweiht, das zweite der Schweiz notabene. Es war ein Symbol des Fortschritts, schuf Arbeitsplätze und trug einen wundervollen Namen: Tramways Bienne. So cool könnte auch das Regiotram werden, sagte ich zum Bekannten.

Der aber träumte längst. Er stelle sich gerade vor, wie das Rösslitram bimmelnd durch die Bahnhofstrasse rattere, seufzte er. Ich nickte, verabschiedete mich mit besten Wünschen fürs neue Jahr und trat ganz nostalgisch gestimmt auf die Strasse.

Dort zeigte ein kleines Mädchen seiner Freundin ihr neues Fahrrad. Sie betätigte die Klingel und sagte dann stolz: «Mein neuer Klingelton.»

Fabian Sommer

Samstag, 24. Dezember 2011

Burn: Crazy Familien

O du Weihnachten! Heute findet wieder der urbane Exodus statt; alle in die Stadt migrierten Landeier fahren aufs Dorf, der Bahnhof wird voll sein von Leuten mit feierlichen Mienen und Taschen, aus denen Geschenke quellen. Inklusive mir, ich bin Weihnachtsfan, ich liebe das. Wie meine Familie Berge von Essen auftischt, jeder bringt was mit, bei Gekauftem wird diskret die Nase gerümpft, und ab und zu wird jemand ironisch sagen: Jetzt haben wir wieder zu wenig zu essen! Oder: Nächstes Jahr suche ich mir eine Familie, in der es genug zu essen gibt!, und nie verleidet uns der Witz. Irgendwann werden wir Spiele spielen, ich werde verlieren und wütend werden, wie schon immer, und meine Schwestern werden sagen: Das ist, weil du nie im Kindergarten warst. Später werden wir etwas singen, so halb motiviert, weil irgendwer darauf besteht. Und am Abend spät werde ich mit meinen Gspänli vor der Reitschule anstehen und hoffen, dass wir noch reinkommen, und meine Gspänli werden Anekdoten von ihren eigenen crazy Familien erzählen; das war schon immer eine wohltuende Erkenntnis, dass keine Sippe perfekt ist. Familie halt. Weihnachten halt. Ich hoffe bloss, es gibt genug zu essen. Und nicht wieder zu wenig Päckli.

Sarah Pfäffli

Samstag, 17. Dezember 2011

Bienne: Im Zahlen-Flash

In Biel war fast Weihnachten, und ich hatte erst ein einziges Geschenk. Zum Glück half ein alter Bekannter bei der Ideensuche. Er warf mir in einem fort Zahlen an den Kopf.

15, sagte er zuerst. So viele Punkte habe der EHC Biel im Moment mehr als Langnau. Oder 40. So viele Franken koste es in Biel, wenn man eine Parkkarte hat, aber aus Platznot nur die Hälfte eines blauen Feldes belegen kann. Oder 34. So hoch sei der Ausländeranteil an Bieler Schulen in Prozent. Das sei Schweizer Rekord und der Grund, weshalb viele unserer Freunde, die Kinder bekommen, aus der Stadt wegziehen, sagte der Bekannte.

In mir blinkte die Zahl 060, die Laufnummer einer Meldung der Nachrichtenagentur SDA von dieser Woche. Eine Studie zeigt, dass Primarschüler in Klassen mit hohem Ausländeranteil genauso gut lernen wie in reinen Schweizer Klassen.

Für ihre Doktorarbeit hat eine Erziehungswissenschafterin 42 Klassen im Kanton Bern auf Leistung und Intelligenz untersucht. Nicht einmal in Klassen mit 30 Prozent Ausländeranteil waren die Leistungen der Schüler schlechter.

Ich hatte auf einen Schlag ein Dutzend Weihnachtsgeschenke besorgt. Alle meine Eltern werdenden Freunde finden in einer Woche diese Doktorarbeit unterm Tannenbaum.

Fabian Sommer

Samstag, 10. Dezember 2011

Burn: Schöne Aussicht

Nächste Woche ist schon fast wie Weihnachten, nein besser: Da sind Bundesratswahlen, das heisst, man kann am frühen Morgen fenele, im Pischi mit der Decke vor den Fernseher und mitfiebern – wann macht man das sonst, ausser bei Skirennen!

Noch fast interessanter aber ist der Abend davor mit dem schwierigen Namen «Nacht der langen Messer». Vergangenes Jahr war ich am besagten Dienstag mit zwei Gspänli in der Bellevue-Bar. Wir latschten einfach rein, mit grossen Sporttaschen, in denen wer weiss was hätte stecken können, lange Messer zum Beispiel – hat niemand kontrolliert. Aber wir hatten ja auch nichts Böses im Sinn. Wir tranken nur ein paar Bier und schauten: wie sich Politiker wichtig machten; wie Journalisten um sie rumschlichen; wie der Mann, der am nächsten Tag gewählt werden würde, fleissig Hände schüttelte; wie sein Parteipräsident einem Nationalrat in fast bedrohlichem Ton empfahl: «Unsere zwei sind gut für euch»; und wie ein anderer Bürgerlicher das Barpersonal herumscheuchte: «Jetzt habt ihr mal was zu tun, hä! Jetzt seid ihr wohl überfordert, hä! Das ist doch kein Staatsbetrieb! Ha ha ha!» Es war ein sehr lustiger Abend, und am Ende dachten wir: Das kann man nur in Bern – live Politik schauen. So wie Fussball oder Eishockey. Oder Skirennen.

Sarah Pfäffli

Samstag, 3. Dezember 2011

Bienne: Good Vibes

In Biel war eine angenehm heitere Stimmung, gute Vibes irgendwie, und das lag nicht an Petrus, sondern am Leben an sich. Daran konnten auch ein paar Schüsse im McDonald’s nichts ändern.

Im Fussball hatten wir wieder mal einen Grossen aus dem Cup geworfen (Servette), im Eishockey spielten wir zeitweise sieben Punkte Vorsprung auf die Memmen aus dem Tal (Langnau) heraus. Und im Ständerat hatten wir dafür gesorgt, dass Amstutz durch das «Musketier» de Bienne ersetzt wird (Stöckli). Er habe noch mehr tolle News, meinte ein alter Bekannter beim Feierabendbier. Am nächsten Donnerstag taufe die Fluggesellschaft Swiss einen Airbus auf den Namen Biel/Bienne, sagte er, das sei doch grossartig. Und das Flugi erinnere ihn an eine Anekdote aus dem Kindergarten, den sein Sohn besucht. Dieser habe kürzlich vor zwei Kameraden damit angegeben, dass sein Papi einen Audi S8 fahre und deshalb der schnellste Papi von allen sei. Sein Vater könne fliegen, eine Cessna, die sei viel schneller, konterte sein kleiner Kollege. Das dritte Kind in der Runde sei kürzlich aus Bern hergezogen, erzählte der Bekannte dann. Es habe gesagt, sein Vater sei der absolut Schnellste von allen. Er sei Beamter. Um fünf Uhr habe er Feierabend, um halb vier sei er schon zu Hause.

Fabian Sommer