Samstag, 28. Januar 2012

Bienne: Die Maus im Bus

In Biel war ein gemütliches Fondueessen glimpflich zu Ende gegangen. Auf dem Heimweg im Auto musste ich verflucht scharf bremsen. Zum Glück war ich noch hellwach, als beim Fussballstadion Gurzelen zwei Menschen in Fussballschuhen aus der Nacht auf dem Fussgängerstreifen auftauchten. Es waren tatsächlich Spieler des FC Biel.

Ich erschrak sehr, die beiden Cracks des besten FCB der Welt auch. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle in aller Form entschuldigen: Ich , liebe FC-Biel-Stars L. S. und P. D., wollte euch wirklich keine Angst einjagen mit den quietschenden Bremsen. Ich bin ein grosser Fan von euch.

Die nächsten Tage fuhr ich dann Bus, und ich bereute es nicht. Nirgendwo, so lehrt die Erfahrung, erlebt man Schöneres als in der weiten Welt des öffentlichen Verkehrs.

Nur einen Tag nach dem Fast-Crash mit den FCB-Cracks sass ich im Bus vis-à-vis einem Mädchen mit einer kleinen weissen Maus in einer Kartonschachtel und einem alten, griesgrämigen Opa. Das Mädchen zeigte dem Mann das Tier und fragte, ob es nicht herzig sei. Der Opi rang seinem faltigen Gesicht ein Lächeln ab und sagte: «Vraiment chou, cette souris.» Das Mädchen lächelte zurück. Dann sagte es: «Verfütter ich jetzt gleich meiner Schlange.»

Fabian Sommer

Samstag, 21. Januar 2012

Burn: Armer Möndu

Der Berner Dialekt ist ein schöner, und er bietet immer wieder Anlass zu hübschen Missverständnissen, weil einfach viele Wörter so ähnlich klingen, mit all den Us und Ös und Üs. Nicht so weich wie der Solothurner mit seinen vielen überflüssigen Es: «I bi ds Soledurn id Reggrudeschueu gange», oder der Bieler mit seinen vielen Os, jooo. Kürzlich hörte ich eine Geschichte, die einer Bielerin wohl nie passieren würde: Es war an einem Geburtstagsfest «im Welschen», als die ganze Gesellschaft «Joyeux anniversaire» sang. Eine Bernerin unter den Gästen sang fröhlich mit. Erst am Ende fragte sie diskret ihren Begleiter, was das eigentlich heisse. Dieses «Schweinesahni».

Aber eben, Missverständnisse gibts nicht nur über die Sprachgrenzen hinweg, gerade im Berndeutschen sind sie verbreitet, und mein Lieblingsverhörer ist ein tragikomischer: Pfaditaufe, vor vielen Jahren, man rudert auf einen See, der Getaufte muss seinen Namen in alle vier Himmelsrichtungen schreien. Einer der Jungen sträubt sich hartnäckig, erst nach viel Widerstand heult er seinen eben erhaltenen Pfadinamen in die Nacht, er hat Tränen in den Augen, seine Stimme zittert.

«Mööönnnguuu! Mööönnnguuu!» Bis ihn die anderen Pfader stoppen. Er heisse im Fall nicht Möngu. Sondern Möndu.

Sarah Pfäffli

Samstag, 14. Januar 2012

Bienne: Wenn man es kennt

In Biel war Frühfrühlingswetter, 8 Grad, blauer Himmel, weit und breit weder Nebel noch Niederschlag. In der Zeitung sah ich ein Bild aus Klosters. «Schaiss Schnee», hatte dort jemand in den Schnee geschrieben. Ich war froh, nicht in Klosters zu sein.

Am Abend war in einem Bieler Pub eine kleine Party. Auch er sei glücklich, in Biel zu sein, meinte ein alter Bekannter, der an diesem Anlass als DJ wirkte. Die Leute tanzten ein bisschen. Er schrie ins Mikrofon: «Biel ist halt schon eine geile Stadt. Wenn man es kennt und von hier ist.» Dieser Satz stimmte mich nachdenklich. Biel ist also nur geil, wenn man es kennt?

Ich überlegte kurz und kam zum Schluss, dass der DJ so unrecht wohl nicht hat. Wir haben ja kein Münster und keinen Bärenpark. Es sind die versteckten, kleinen Dinge, die unsere Stadt aus- oder eben geil machen.

Kürzlich zum Beispiel sah ich das oberflächlich betrachtet eher unschöne Bild eines mutmasslich Obdachlosen, der in einem Mülleimer im Stadtzentrum herumwühlte. Als ein Geschäftsmann im Anzug vorbeikam und seine Sandwichverpackung in besagten Mülleimer warf, wurde er vom mutmasslich Obdachlosen angeschnauzt, es war wunderschön. Der Clochard sagte: «Was soll das? Ich störe Sie auch nicht bei der Arbeit!»

Fabian Sommer

Samstag, 7. Januar 2012

Burn: Der Berner Hut

Alle Völker haben ihre traditionelle Kleidung, es gibt Trachten, Halsstreckringe, Lippenteller, Lodenmäntel, Kimonos, Turbane, Saris. Und es gibt den Berner Hut.

Am Berner Hut erkennt man recht zuverlässig den durchschnittlichen Berner zwischen 20 und ungefähr 35. Der Berner Hut ist nicht ganz einfach zu beschreiben: eine Art Schirmmütze, aber lässiger als ein Baseballcap, häufig in den Farben Khaki oder Schlamm oder auch Anthrazit, leicht verwaschen.

Wenn man den Berner Hut sieht, weiss man schon sehr viel über dessen Träger: Er ist vermutlich YB-Fan, er raucht, er hat eine Stammbeiz in seinem Quartier und kifft ab und zu mal, aber nicht zu viel, er hat einen okayen Job, vielleicht ist er schon mit dem Schatz zusammengezogen; eher wohnt er aber mit den «Giele» in einer WG, in der irgendwo ein Bumerang und eine Bierwerbung hängen. Er macht gern Ferien mit dem VW-Bus und mag chillige Musik. Er plant, ans Red-Hot-Chili-Peppers-Konzert zu gehen, sagt gern «bündig», und besonders oft trifft man ihn am Gurtenfestival. Ob er mit dem Berner Hut eine sich ankündigende Glatze verbirgt oder ihn einfach nur als Tracht schätzt, ist nicht überliefert. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit denkt er nach dem Lesen dieser Kolumne: «Derä spinnts. Das isch doch eifach – nume ä Tschäppu.»

Sarah Pfäffli