Samstag, 31. März 2012

Burn: Z Märit gah

Der Übergang ins Erwachsenenleben vollzieht sich schleichend, aber hie und da verpasst einem das Leben einen kleinen Chlapf und ruft fröhlich: Du bist nicht mehr zwanzig. Sondern schon fast ranzig. Am Berner Samstagsmärit zum Beispiel fährt man als junger Berner höchstens mal vorbei, wenn man besonders spät vom Ausgang heimkehrt. Oder sehr früh aufstehen muss, um jemandem beim Zügeln zu helfen. Aber im Normalfall liegt man im Bett, wenn die Stadt Bern das Landleben zelebriert. Irgendwann muss man schliesslich schlafen!

Das fiel mir wieder ein, kürzlich am Samstagmorgen. Wir standen in der Münstergasse und kamen nicht vom Fleck, weil immer wieder jemand gegrüsst werden musste. Unsere Gruppe inklusive Kinderwagen versperrte den Weg, und der Geflügelstand hinter uns verkaufte kaum mehr ein Poulet. Nach gefühlten zwei Stunden bemerkte einer unserer Bekannten: «Jetzt trifft man sich also samstags auf dem Märit. Sehr bourgeois.» Autsch.

Die Bourgeoisie stieg aufs Velo und fuhr heim ins gentrifizierte Arbeiterquartier, wo sie leere Bierflaschen entsorgte. Sie verspürte ein bisschen Kopfweh vom Vorabend und legte sich erleichtert aufs Sofa. So schlimm ist es doch noch nicht. Irgendwann muss man schliesslich schlafen.

Sarah Pfäffli

Samstag, 24. März 2012

Bienne: Das Dreckloch

In Biel war mal wieder ein Auto in Flammen aufgegangen, und ich wusste, was in Bern und so jetzt geredet wird: Ghettostadt! Kriminell! Pack!

Das Thema Fremdwahrnehmung unserer Stadt war auch bei einem 11-Uhr-Brunch mitten unter der Woche Thema. Ich machte einem alten Bekannten klar, dass mir grundsätzlich furzegal ist, was andere über Biel sagen oder denken oder schreiben.

Und er? Zog kommentarlos ein Papier aus der Tasche. Es war die Fotokopie zweier Seiten aus dem Buch «Der Schweizversteher» von Diccon Bewes. Der britische Autor hat eine Art Wanderbericht über eine Reise durch die Schweiz verfasst. Für sein von den Kritikern hoch gelobtes Werk war er auch kurz bei uns. «Bis dahin hatte ich geglaubt, La Chaux-de-Fonds sei hässlich, doch ich änderte meine Meinung, als ich im Dreckloch der Schweiz ankam», schreibt er über seinen Besuch in Biel. Und bla. Und bla. Und blabla. Immerhin war Bewes dann noch rasch am See und in der Altstadt. «Zwei Schmuckstücke» seien das, «von denen jedes andere Dreckloch nur träumen kann».

Dieser Satz, das gebe ich zu, ist toll formuliert. Der Bekannte interpretierte ihn gar als Hymne auf Biel. Er will jetzt jedem, der ihn nach seiner Herkunft fragt, sagen, er lebe im schmucksten Dreckloch der Schweiz.

Fabian Sommer

Samstag, 17. März 2012

Burn: Total super originell

Seltsam: Es ist seit etwa einer Woche schönes Wetter, und noch hat keiner meiner Facebook-Freunde ein Aareschwumm-Foto hochgeladen. Lange dürfte es aber nicht mehr dauern, dann gehts wieder los mit den Es-ist-sonnig-und-ich-hab-frei-und-das-beste- Leben-ever-Bildern.

Das ist es, was mich an Facebook nervt. Das Privatsphäre-Problem ist mir derweil relativ egal; soll doch das blöde Internet wissen, wofür ich mich interessiere. Ich bin ja nicht Barack Obama und der Welt wohl ziemlich gleichgültig. Auch finde ich Facebook nicht grundsätzlich doof (wie die meisten, die nicht dabei sind). Jetzt gibt es das halt; weshalb sich darüber aufregen? Es stellt auch niemand die Existenz von Türrahmen infrage, selbst wenn ab und zu jemand dagegenknallt.

Nein. Ich finds einfach langweilig. Gähn, gähn, gähn. Weil immer alle das gleiche Zeugs teilen. Ob ein Video über einen ugandischen Kriegsverbrecher, ein Retrofoto von was Selbstgekochtem (bravo!) oder ein Link zu einer Berner Nachtlebengruppe – fünfmal am Tag von fünf Leuten das Gleiche. Und jeder fühlt sich originell. Dabei werden wir uns bei unserem Bestreben, etwas Besonderes zu sein, gerade immer ähnlicher.

Das ist allerdings nur meine total super individuelle Meinung, die ganz bestimmt noch kein Mensch vor mir geteilt hat.

Facebook: gefällt mir nicht mehr.

Sarah Pfäffli

Samstag, 10. März 2012

Bienne: Das einfache Glück

In Biel war alles complètement tranquille. Als Nichtbieler kann man sich das nicht vorstellen. Aber Eishockeyschauen ohne Existenzängste und Schweissflecken ist nach all den Jahren in Ligaquali und Playouts eine sehr ungewöhnliche Freizeitbeschäftigung für uns. Jetzt spielen wir um den Meistertitel! Und es ist schön! Resultate sind unwichtig; man ist einfach glücklich, Bieler Männern und Zuger Mädchen beim Spielen zuzuschauen.

Ähnlich einfach funktioniert das auch mit unserem exorbitanten Lokalpatriotismus, den Kolumnenkollegin S. P. aus B. letzte Woche an dieser Stelle als kleinmütig bezeichnet hat. Wir Stadtwappentätowierer und Alles-ausser-Biel-Bienne-ist-Scheisse-Schreier sind einfach froh, dass bei uns die Dinge noch sind, wie sie sein sollen. Wir sind froh, rauszugehen und auch mit jemandem ins Gespräch zu kommen, der nicht die gleiche Hornbrille trägt wie wir. Wir sind froh, jungen Männern aus der Region beim Fussballspielen zuschauen zu können und nicht bloss alles veryoungboysenden Millionären. Wir sind sehr froh, vielleicht Stöckli, aber bestimmt nicht Fuchs oder Hess zu treffen, wenn wir im Ausgang sind. Wir sind froh, so klein zu sein und doch so gross. Wir und unsere Stadt, das ist für immer.

Fabian Sommer

Samstag, 3. März 2012

Burn: Biel forever

In Bern war Freitagabend. Am Nebentisch klopfte ein abgehalftertes SCB-Talent zu laute Sprüche, und unsere Runde kam um das Thema Eishockey nicht herum. Das kleine Bieler Playoff-Wunder wurde besprochen; bald auch die Stadt an und für sich. Und wie das sich gehört, wenn Berner über Biel sprechen, waren drei dagegen und jemand so halb dafür. Als Beweise für die Unmöglichkeit dieser Stadt berichteten meine Freunde von üblen Erlebnissen. Als symptomatisch sah die Runde die «doofe Autostrasse» an, die nach Biel führt. Sogar Siff und Dreck wurden ins Feld geführt, und am Tisch sassen nicht etwa 60-jährige Idylliker, sondern mitteljunge Halbhipster. Zögerlich wendete ich ein: Aber Biel hat etwas Grossstädtisches. Und eine gute Künstlerszene. Und günstige Wohnungen mit Stuck. Dem pflichtete auch die Runde bei, aber nur, um sich gleich dem nächsten Bieler Ärgernis zuzuwenden: Dieser Lokalpatriotismus! Bieler müssen ständig betonen, dass sie Biel die geilste Stadt der Welt finden, wie kleinmütig!

An diesem Punkt erzählte ich, dass mein Kollege das Bieler Stadtwappen auf den Arm tätowiert habe; so wie andere den Namen der Freundin. Die Freunde staunten ungläubig. Bis einer ehrlich besorgt bemerkte: «Hoffentlich machen die zwei nie Schluss.»

Sarah Pfäffli