Samstag, 26. Mai 2012

Burn: Alte Liebe rostet

Vielleicht passiert es diesen Sommer. 2012 könnte das erste Mal seit etwa 15 Jahren sein, dass ich nicht ans Gurtenfestival gehe. Noch habe ich überhaupt keine Anstalten gemacht, mir ein Ticket zu beschaffen. Früher war das ein Reflex. Vorverkaufsrekord? Echt? Mich dünkt das Programm ja so beliebig wie schon lang nicht mehr. Ein bisschen von allem. Aber das ist wahrscheinlich gerade das Erfolgsrezept. Beliebt durch Beliebigkeit.

Hingegen hat es wohl mehr mit mir zu tun als mit dem Festival, wenn meine eigene und die öffentliche Wahrnehmung so weit auseinandergehen. Vielleicht ist es wie bei einer alten Liebe: Langsam kennt man sich halt auswendig. Ich könnte auf dem Gurten mit verbundenen Augen zeigen, welcher Foodstand wo steht, ich wette viel Geld darauf, dass dieses Jahr im Bacardi-Dome sehr oft «Nossa, Nossa» laufen wird, ich habe den modrigen Geruch in der Nase, der von den Plastikplatten aufsteigt, wenn es darunter sumpft. Seit 15 Jahren jedes Jahr das Gleiche. Mach doch einfach Schluss!

Aber dann denk ich: Wir hatten es doch mal so schön zusammen! Die wildesten, lustigsten und traurigsten Tage im Jahr haben wir miteinander verbracht! Vielleicht ändert er sich ja doch noch! Was mache ich nur ohne ihn! Vielleicht sollte ich mich mal um ein Ticket kümmern. Nossa, Nossa.

Samstag, 19. Mai 2012

Bienne: Die Choco-Posse

In Biel war an sich Sonnenschein Trumpf. Trotzdem lief es vielen Biennois dieser Tage eiskalt den Rücken hinunter. Grund war ein Milchgetränk.

Ein alter Bekannter war es, der die Sache vor allen anderen entdeckt hatte. Vor dem Kühlregal einer Migros-Filiale durchfuhr ihn der Schreck seines Lebens, wie er erzählte. Auf dem Fläschchen Chocodrink à Fr. 1.50 war: das SCL-Tigers-Logo! Memmen aus dem Tal! Auf einem Chocodrink in einem Bieler Laden! Die Krone setzte dem Ganzen der Slogan auf: «Aus der Region, für die Region»! Der Bekannte dachte zuerst, er habe ein Augenleiden. Ein Blick ins Internet gab diesbezüglich aber zu seinem Glück Entwarnung. Dutzende hatten sich bereits online beim Grossverteiler beschwert, sogar die Zeitungen berichteten über die «unerwünschte Tigersichtung in Biel» («Bieler Tagblatt»). Und Migros versprach, das unsägliche Fläschchen bald aus dem Sortiment zu nehmen.

Ich hatte Verständnis für den Bekannten, als er sagte, er habe trotzdem auf allen ihm zur Verfügung stehenden Kanälen zum Boykott des orangen Riesen aufgerufen. Noch besser fand ich allerdings seine andere Idee: Er wollte einen Transportheli mieten und über Langnau 5000 Liter Protestmilch von Bieler Kühen abwerfen.

Fabian Sommer

Samstag, 12. Mai 2012

Burn: Bern down under

Die schlechtesten Kolumnen der Welt handeln von den Umständen ihrer Entstehung. Trotzdem muss jetzt dieser Satz kommen: Währenddem ich das schreibe, bin ich in Australien. Und obwohl die Australier wahnsinnig nett und locker sind, erinnern sie mich ein bisschen an die Berner. Das liegt an der Sprache. Was dem Berner das «-li», ist dem Australier das «-ie». Alles wird verniedlicht: «Breakfast» wird zu «breakie», «barbeque» zu «barbie», «mosquitos» zu «mosies». Ich fand das sehr hübsch und herzig, bis mich ein Australier aufklärte: Das habe nichts mit Verniedlichung zu tun. Sondern mit Faulheit. «Bar-be-que» oder «mo-squi-to», das seien viel zu lange Wörter.

Bern ist trotzdem gar nicht so weit weg, zumindest sprachlich. Ich habe hier sogar das schönere Berndeutsch gehört als in Bern. Mein Onkel ist vor mehr als dreissig Jahren nach Australien ausgewandert – und er hat sich den Dialekt von damals erhalten. Er sagt schöne Dinge wie «stiu ha» für anhalten oder «ä Tube» für eine aufgedonnerte Frau oder rechnet mit dem Flächenmass der «Jucharte».

Lange Zeit hatte er noch die Fernausgabe einer Schweizer Zeitung abonniert, aber das Abo hat er inzwischen aufgegeben. Seine Begründung gab mir zu denken: Es hatte ihm zu viele Englische Ausdrücke drin.

Sarah Pfäffli

Samstag, 5. Mai 2012

Bienne: Mosaik zum Sonntag

In Biel war Schönwettersonntag. Ich hatte das Sofa auf dem und den Fernseher in Richtung Balkon platziert. Dani Kern kommentierte einen Fussballmatch. Der Mann, man müsste es längst wissen, bringt die Dinge in penetranter Regelmässigkeit durcheinander. Als er einen Spieler als «wichtiges Puzzle im Mosaik» bezeichnete, zog ich die Konsequenzen und warf meinen Schönwettersonntagsplan über den Haufen.

Ich drückte den roten Knopf der Fernbedienung und besuchte ein essenzielles Teilchen des Puzzles Biel: das Seeufer. Ich sah Hunde und Menschen, die Bällen nachjagten. Ich sah eine Familie, die sich an einem Tischchen über riesige Haufen Speiseeis hermachte. Und ich sah drei 12-Jährige mit Baseballmützen, die sich einen Spass daraus machten, sich gegenseitig mässig kreativ zu beleidigen. Einer sagte: «Hey Mann, deine Mutter!» Ein anderer sagte: «Hey Mann, deine Grossmutter!» Der Dritte überlegte einen Moment. Dann sagte er: «Hey Mann, deine Generation!» Ich lächelte zufrieden. Ein 12-Jähriger mit Mütze hatte mir soeben das noch fehlende Mosaiksteinchen geliefert, das den missglückten Start in den Schönwettersonntag vergessen machte.

Fabian Sommer