Samstag, 27. Oktober 2012

Burn: Schön wärs

Eine Stadt zu regieren, ist schwer, und Politiker und Beamte lassen sich dafür allerlei lustige Sachen einfallen. Zürich stellte ein gelbes Riesenei mit dem infantilen Namen Örbi auf, um zu erfahren, was sich Herr und Frau Zürcher so wünschen. Das eigens designte Wägeli wurde nun eingewintert. 120 000 Franken kostete das sauglatte Projekt.

 In Bern dagegen lanciert Alexander Tschäppät die Idee eines Stadtinspektors. Dieser soll sich den Hässlichkeiten in der Stadt entgegenstellen: Leuchtreklamen, Topfpalmen, Werbeständer vor Läden. Tschäppät erntete damit reflexartig Häme. Ich dagegen finde: Super, wenn der Stadtpräsident so was sieht. Mich stört die Verkölnisierung auch: billige Schuhparadiese, raus aus der Altstadt, rein ins Westside! Läden mögen sich schön dekorieren! Gartenbeizen müssen eine Gattung machen!

Aber bitte, ein Stadtinspektor? Ein Mann mit «Kranz am Hut», der durch die Stadt stolziert und Formulare ausfüllt? Nein! Wenn schon müsste das eine gewinnende Persönlichkeit machen, mit viel Charme und dem Talent, Kritik auszusprechen. Mit einem untrügerischen Sinn für Ästhetik und einem sensiblen Radar für Geschmacklosigkeiten. Der Gabe, Probleme treffend, aber hübsch zu formulieren. 

Herr Stadtpräsident, ich bewerbe mich hiermit auf die ausgeschriebene Stelle. Ich gebe mich auch mit einem Lohn von 200 000 Franken zufrieden.

 Sarah Pfäffli

Samstag, 20. Oktober 2012

Bienne: Après-Match-Physik

In Biel war Freitagmittag, als mir vor dem Hotel Elite Tyler Seguin über den Weg lief. Tyler Seguin! Er, liebe Ahnungslose, ist einer der besten Hockeyspieler der Welt. Der Mann holte als 19-Jähriger mit Boston die wichtigste Trophäe in diesem Sport, den Stanley-Cup. Weil in der amerikanischen Profiliga gestreikt wird, spielt Seguin derzeit für den EHC Biel-Bienne.

Ich traute mich nicht, ihn anzusprechen. Stattdessen las ich seine Twitter-Einträge. Er hatte ein Bild von der Stadt Bern hochgeladen. Es sei wunderschön dort, hiess es dazu. Nun, dachte ich, einem Mann seiner Klasse sei dieser Fauxpas verziehen.

Denn Seguin sorgt auch abseits von Eis und Twitter für hübsche Geschichtchen: Weil er für uns spielt und das Team verbessert, kommen derzeit recht viele Zuschauer in den Bieler Eistempel. So viele, dass nach den Spielen die Busse Richtung Zentrum beängstigend überfüllt sind. Es stehen so viele Leute in der Tür, dass diese nicht schliesst und der Bus nicht fährt.

Nach dem letzten Match fragte der Chauffeur entnervt: «Sind Physikstudenten anwesend?» Von ganz hinten war ein Ja zu vernehmen. Darauf brummte der Fahrer: «Dann erklär denen an der Tür doch mal, wie eine Lichtschranke funktioniert.»

Fabian Sommer

Samstag, 13. Oktober 2012

Burn: Sich zügeln

Grad war wieder Umzugszeit, das sieht man immer gut in der Stadt: Die Haustüren sind für alle offen, Berge von Krempel stehen «gratis!» auf dem Trottoir, ungeübte Fahrer von Mietlastwagen versperren die Strassen und werden angehupt; nirgendwo auf der Welt hupt man so schnell wie in der Schweiz, wenn jemand bei Grün nicht grad anfährt.

Lang sind die Staus vor dem Entsorgungshof, denn all das Zeugs, das niemand «gratis!» wollte – die mit Stickern verzierte Kinderkommode, der verdellte Couchtisch «Lack» (29.90 Franken bei Ikea), die CD-Ständer –, all die einst angeschleppten Sachen müssen irgendwie weg, und so stehen die Lastwagen bis auf die Strasse hinaus an, das blockiert den übrigen Verkehr.

Endlich kommt man dran, leicht aggressiv inzwischen, aber die Mannen vom Entsorgungshof sind nicht aus der Ruhe zu bringen, mit einer Aura von völligem Gleichmut lösen sie stoisch die kompliziertesten Abfallprobleme – Glas da. Elektrogeräte hier. Holz dort. Und gleichzeitig schaffen sie es, im Kopf nach geheimnisvollen mathematischen Formeln den geschuldeten Betrag zu berechnen. 14 Franken. Adiemitenang. Jetzt den Lastwagen wenden und durchs Tor manövrieren. Aber vorher noch was einladen: bisschen Entsorgungshofgelassenheit zum Weiterzügeln.

Sarah Pfäffli

Samstag, 6. Oktober 2012

Bienne: Neue Chefs

In Biel ist der grosse Wahltag passé. Und hey, seither ist chez nous etwas Tatsache, das es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nirgendwo sonst auf der Welt gibt: Unsere neue Regierung ist schwul. Cédric Némitz (SP), Beat Feurer (SVP) und Barbara Schwickert (Grüne), drei der fünf Gemeinderäte, leben in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Klar, dass das hübsche Schlagzeilen bei «Blick» und Co. gab: «Wahnsinns-Wahl in Biel» zum Beispiel.

Man muss es klar sagen: Uns ist schnuppe, an wen sich die Stadtchefs in ihrer Freizeit kuscheln. Und manche von uns haben gar die Hoffnung, dass eine mehrheitlich homosexuelle Regierung besser arbeitet als eine mit lauter Heteros. Das Schönste am Ganzen ist aber, dass man nun überall nette Anekdoten über unsere Gemeinderäte hört. Er habe kürzlich Némitz und Feurer vor einem Restaurant in der Altstadt gesehen, erzählte etwa ein alter Bekannter. Feurer habe gesagt: «Hier esse ich nicht, das ist ein diskriminierender Laden.» Némitz habe zuerst die Welt nicht mehr verstanden. Dann aber sei ihm klar geworden, was der Kollege meinte. Vor der Beiz stand ein Schild: «WARME SPEISEN IM KELLER».

Fabian Sommer