Samstag, 29. Dezember 2012

Bienne: 2012

In Biel war fast schon 2013. Ein alter Bekannter und ich hielten bei einer Wildsaubratwurst inne und blickten ganz kurz auf 2012 zurück. Es tönte so: Nebel. Playoff-Stadt! Brennende Autos. Nebel. Hans Stöckli irgendwohin gewählt. Biel weniger kriminell als Bern, Baby. Kein Nebel mehr. Braderie. Brennende Autos. 36 Grad! Was, Wahlen? Wie, was, eine schwule Regierung? Tyler Seguin. Tyler Seguin. Tyler Seguin. Die neuen Stadien kommen doch noch! Brennende Autos. Und der Nebel ist zurück.

Alles in allem, meinte der Bekannte, brachte 2012 etwa das, was wir uns erhofft hatten.

Fabian Sommer

Samstag, 22. Dezember 2012

Burn: Besinnungslos

Dabei wollte ich doch noch so viel! Ich wollte Grittibänzen backen und schöne, persönliche Weihnachtskarten schreiben und sie dann auch tatsächlich verschicken. Überhaupt Briefe und Karten schreiben. Sport treiben und Yoga machen und gesunde Sachen essen. Weniger Alkohol. Mehr schlafen. Die Grossmutter anrufen. Die Fenster putzen. Oder putzen lassen. Ein Back-up machen. Jeden Tag Zahnseide benutzen. Das Lichterspektakel auf dem Bundesplatz anschauen. Das Hochzeitskleid reinigen lassen. Mit dem Zug schnell nach Paris fahren. Immer zurückschreiben. «Krieg und Frieden» fertig lesen. Das Velolicht flicken. Die Bilder aufhängen, die immer noch herumstehen. Gitarre üben. Eine halbwegs anständige Bank finden und das UBS-Konto auflösen. Lernen, wie Twitter funktioniert. Ordnung auf den Computer und in die E-Mails bringen. Das mit den Swiss-Flugmeilen abklären. Den Kleiderschrank aufräumen. Scrabble spielen. Einen Kurs besuchen. Und ich wollte eine Kolumne schreiben mit der Pointe, dass ein mir bekannter Mensch beim Lied «Es ist ein Ros entsprungen» jahrelang verstand: «Es ist ein Ross entsprungen».

Aber jetzt ist natürlich schon wieder Weihnachten und das Jahr quasi vorbei.

Sarah Pfäffli

Samstag, 15. Dezember 2012

Bienne: Im Heim

In Biel war Weihnachtsmarkt. Am Punsch-, Glühwein- und Bratwurststand loderte ein Feuer, und so konnten all jene, die sich dort zu viel warmen Alkohol hinter die Binde gekippt hatten, dies auch Stunden später und auf 50 Meter Distanz nicht verstecken. Man erkannte sie am schwankenden Gang und am Feuerstellengeruch in Haaren und Kleidung.

Unerklärlicherweise hatte ich für einmal weder aufs eine noch aufs andere Lust. So entschloss ich mich, mit einem alten Bekannten dessen Grossmutter Pia in einem Altersheim in der Agglomeration zu besuchen.

Es wurde ein schöner Ausflug.

Um 13.45 Uhr brachen wir für einen Spaziergang durch den verschneiten Garten der Institution auf. Am schwarzen Brett beim Eingang hing ein Zettel, den die Grossmutter genau studierte. Es ging um Hirntraining für Demente. Pia meinte: «Welch schreckliche Krankheit, zum Glück haben wir die nicht!» Wir gingen ein paar Schritte.

Um 13.55 Uhr waren wir zurück. Pia blieb vor dem schwarzen Brett stehen. Sie las den Zettel mit dem Hinweis aufs Hirntraining für Demente aufmerksam durch. Dann sagte sie: «Welch schreckliche Krankheit, zum Glück haben wir die nicht!»

Fabian Sommer

Samstag, 8. Dezember 2012

Burn: New York, London, Bern

Der Prophet ist im eigenen Land nichts wert, und Bern weiss nicht, was es an der Reithalle hat. Hat man erst einmal die Kokainangebote auf dem Vorplatz abgelehnt, ist es da nämlich richtig nett, vor allem im Dachstock. Ich war kürzlich mal wieder dort: Das Konzert war nett, das Barpersonal sehr nett, die Durchmischung des Volks netter als nett. Ich sprach mit einem hohen Bundesbeamten sowie einem Stabsmitglied einer Bundesrätin. Um uns herum sammelten die Vorplatzbewohner Flaschen, um das Depot zu kassieren. Wo gibt es so eine Kombination?

Vielleicht in New York. Aber wo gehen die New Yorker hin, wenn sie in Bern in den Ferien sind? Sie nehmen einen Drink im Bellevue, einen Espresso im Adrianos – und gehen in die Reithalle in den Ausgang. Das zumindest empfiehlt die «New York Times». Und gerade vis-à-vis der Reithalle liegt ein weiterer aussergewöhnlicher Ort: das Dead End. Wer dort noch nie einen traurigen Morgen verbrachte, hat etwas verpasst. Das fand auch ein Mitarbeiter von Tracy Emin. Als das Kunstmuseum 2009 eine Ausstellung der Künstlerin zeigte, verliebte sich ihr Neonist (ihr Neon-Verantwortlicher?) ins Dead End. Er hat später in London eine Bar nach dem Vorbild des Dead End eröffnet.

Wer hätte das gedacht: Bern war schneller!

Sarah Pfäffli

Samstag, 1. Dezember 2012

Bienne: Der rechte Weg

In Biel war der November zu Ende gegangen, und es hatte einen einzigen nebelfreien Tag gegeben. Petrus, meinte ein alter Bekannter, sei sicher Fan unseres Hockeyteams. Seine Beweisführung war dann allerdings etwas wacklig: Die einzigen Sonnenstrahlen hatte uns der Wettermacher in der Tat nach dem Sieg des EHCB in und gegen Bern geschenkt. Nur gingen unsere Boys am gleichen Abend gegen den gleichen Gegner 2:8 unter. Egal, brummte der Bekannte. Er wolle sowieso über Erziehung reden, nicht über Sport und Wetter. Sein achtjähriger Sohn sei nämlich vom rechten Weg abgekommen. Er habe sich dem Schlittschuhclub Bern zugewandt. Plötzlich schwärme er von Bührer statt Berra und wünsche sich SCB-Devotionalien zum Geburi. Der alte Bekannte war fassungslos. Sein Sohn, ein SCB-Fan? Welch grässliche Vorstellung! Beim Wochenendeinkauf im Supermarkt habe er dann zur Ultima Ratio der gewaltlosen Kindererziehung greifen müssen, erzählte er etwas verschämt. Manchmal heilige aber der Zweck die Mittel. Vor dem Gemüseregal habe er seinen Sohn vor die Wahl gestellt: «Entweder du vergisst den SCB sofort, oder ich kaufe Rosenkohl für eine ganze Woche ein.»

Fabian Sommer