Samstag, 23. Februar 2013

Bienne: Wurzel des Übels

In Biel war die Fasnacht zu Ende. Zum Glück, bemerkte ein alter Bekannter beim Fussballgucken in einem irisch-bielerischen Pub. Ihm erschliesse sich die Welt der fünften Jahreszeit nicht, meinte er. Es brauche wohl spezielle Muttermilch oder ein Erlebnis in der Kindheit, um die Faszination des Saufens in Kostümen zu verstehen – und das anschliessende wochenlange Konfettipicken in der Wohnung zu rechtfertigen. 

Mir fiel ein, dass die Fasnacht auch einen Bieler Radiomann zu verwirren schien. «Der Papst gab seinen Rücktritt während einer Karnevalsveranstaltung im Vatikan bekannt», hatte er letzte Woche in den Nachrichten gesagt, sich geräuspert und dann gemurmelt: «An einer Kardinalsversammlung, Entschuldigung.» In der Pause des Spiels zappte der Pubchef auf den lokalen Fernsehsender, wo die Wiederholung des Fasnachtsumzugs vom Sonntag lief. Mir wurde schlagartig klar, weshalb auch ich die Faszination des Fasnachtszeugs mit jedem Jahr weniger nachvollziehen kann. Du hast recht, rief ich dem Bekannten zu. Natürlich hat es mit der Kindheit zu tun! 

Als Knirps war ich oft als Cowboy oder Clown oder Cäsar an die Fasnacht gezogen. Unmittelbar danach lag ich jedes Jahr eine Woche krank im Bett. 

Fabian Sommer

Samstag, 16. Februar 2013

Burn: Fachnast

Ich sags jetzt mal ehrlich: Fasnacht ist was Schönes für Kinder und ansonsten ganz furchtbar. Es ist die einzige Gelegenheit für viele gewöhnliche Menschen, die Sau rauszulassen (ich schreibe jetzt nicht: ihr wahres Gesicht zu zeigen). Ein Fest, an dem Männer in den Hauseingängen pinkeln, weil man das ja darf, so verkleidet, und mit derselben Legitimation Frauen angrapschen. Diese wiederum verkleiden sich alle: «sexy». Als Polizistinnen und Krankenschwestern, Teufelchen und Hexen. Es ist, als würde die ganze Stadt Polterabend feiern. 

Und dann geh ich trotzdem immer. Aber weil ich mich jedes Mal erst in letzter Sekunde dazu durchringe, habe ich kein ausgefeiltes Kostüm, sondern ende zum Beispiel als YB-Hooligan mit schwarzer Kapuze und Knoten im Schal an der Bar im Schlachthaus und habe ein bisschen Angst, dass ein richtiger Hooligan vorbeikommt. Oder zwei. Dann trinke ich genug, und es wird doch irgendwie lustig, und ich denke mir aus, wie man sich noch verkleiden könnte: als Round Table Knights, als Kutti MC, als Simone Niggli-Luder oder als jenen Mann, der immer in den kurzen Turnhosen und mit Plastiksack durch die Stadt stapft. Viele schöne Ideen habe ich, und ich denke: nächstes Jahr! Aber dann sehe ich jemanden kötzlen, höre eine Guggenmusik «Eye of the Tiger» spielen – und weiss es wieder. Fasnacht ist ganz furchtbar. 

Sarah Pfäffli

Samstag, 9. Februar 2013

Bienne: Alt sein

In Biel war wenig los und viel Zeit für Gequatsche an Bartresen und Beizentischen. Ein alter Bekannter und ich kamen dabei zum Schluss: Wir sind jetzt alt. Weil: Unanständige/ schlecht erzogene Menschen regen uns plötzlich echt auf. 

Auf der Post zum Beispiel wollte ich diese Woche 49 Briefe auf einmal aufgeben. Die Dame am Schalter beschied mir, Massensendungen seien erst ab 50 Briefen möglich. Ich musste 49 Marken aufkleben. 

Ein paar Tage zuvor war ich an einem Hockeyspiel in Olten. Dort erzählte ein Insider, dass sich das Maskottchen Speedy – ein Mann in lustigem Mauskostüm– nicht mehr traue, durch den eigenen (!) Fansektor zu tänzeln. Es werde dort bedroht und bekomme regelmässig zu hören, es habe Geschlechtsverkehr mit seiner Mutter. 

Der Bekannte schliesslich war zufällig dabei, als ein Mann vor einem Block in Biel-Mett beim Zeitungsvertragen versehentlich einen Briefkasten ausliess und ihn eine Bewohnerin deshalb zusammenstauchte. Als sich der Verträger entschuldigte und ihr eine Zeitung überreichte, warf sie diese zu Boden. Sie sagte: «Den Scheiss lese ich eh nicht.» Als wir jung waren, fanden wir so Zeugs lustig, sagte ich. Oder es war uns egal. Aber aufregen? 

Der Bekannte nickte stumm. 

Fabian Sommer

Samstag, 2. Februar 2013

Burn: Jugend bleibt

Diese armen Jugendlichen! Nie können sie es recht machen. Wenn sie drinnen rumhängen und Facebook angucken und Killergames spielen und dick werden, ist es nicht gut. Und wenn sie draussen rumstehen, passt es wieder niemandem. Jetzt will man sie auch noch vom Berner Bahnhofeingang vertreiben.

Ich bin da sehr dagegen. Schon nur aus Eigeninteresse. Wo sonst hat man heute noch die Möglichkeit, junge Menschen in ihrem natürlichen Habitat zu beobachten? Überall wurden sie verjagt. Dabei sind Jugendliche sehr unterhaltsam, sie machen lustige Geräusche und sehen originell aus in ihrem Bemühen, cool zu sein. Vor denen braucht auch niemand Angst zu haben, die sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

Vielleicht sind die Erwachsenen auch bloss neidisch, weil sie selbst keine Zeit mehr haben, die sie totschlagen könnten. Von mir aus dürfen deshalb auch die Eltern ruhig irgendwo rumhängen, wenn sie wollen. Unter dem Baldachin hats noch Platz. Auch die Jugend aus Kehrsatz und Unterseen ist eingeladen. Ich hätte damit kein Problem. In einer gewissen Phase im Leben muss man nun mal rumlungern. Es ist eine gute Beschäftigung. Wie viel Zeit haben wir früher mit Rumlungern verbracht!

Und aus uns ist ja nun wirklich was geworden.

Sarah Pfäffli