Samstag, 27. Juli 2013

Bienne: Familien-Sommer

In Biel war genau 10.30 Uhr. Normalerweise tummeln sich um diese Zeit in den grossen Einkaufszentren der Stadt ja vor allem zum Nichtstun Gezwungene aller Art: Rentner, Arbeitslose, Asylbewerber.
Während der grossen Ferien im Juli und August ist das anders, wie ich beim Besorgen von Grillgut für den Abend feststellen konnte: Daheim gebliebene Familien nutzen die Extrazeit, um gemeinsam einzukaufen. Wahrscheinlich, damit sie spätestens um 13 Uhr im Strampi sind. So übrigens nennen wir, liebe Nicht-Bieler, unser schönes Strandbad. 

Ich legte also die Kohle ins Körbchen und die Würste und das Bier. Und malte mir schon aus, wie es einmal sein wird, wenn ich Kinder habe und Sommerferien. 

Beim Regal mit dem Spielzeug durfte ich dann den intensiven Verhandlungen eines Vaters mit seinem etwa 5-jährigen Sohn beiwohnen. Der Sohn flehte: «Darf ich das haben, bittebittebitte?» «Nein», sagte der Vater. Der Sohn schlug vor, dass er die Hälfte des Kaufpreises von seinem Sackgeld beisteuern könnte. «Ich zahle aber die andere Hälfte nicht», sagte der Vater triumphierend. Der Sohn überlegte einen Moment. Dann meinte er: «Dann mache ich es kaputt, und du musst es bezahlen.» 

Fabian Sommer

Samstag, 20. Juli 2013

Burn: Z Bärg

Die Bernerinnen und Berner nehmen ihre Hüte aus den Schränken, blasen den Staub weg, schmieren sich mit Sonnencreme ein, vergessen einen Hautflecken auf der Schulter, der dann später rot leuchten wird. Sie drapieren ihre Kleider rund um ihre Tattoos, sodass die Schriftzüge auf den Unterarmen sowie die Sterne, Blumen, Schmetterlinge im Nacken zur Geltung kommen. Sie ziehen Dreiviertelhosen an, schlüpfen in die Flipflops, riechen noch einmal an den Achselhöhlen, legen etwas Deo nach. Sie schminken sich dezent, decken die Augenringe ab. Sie zöpfeln ihre Haare oder verwuscheln sie mit diesem teuren Wachs vom Coiffeur. Sie packen Geld und Smartphone und Stimorol und Billett in die Seitentaschen der Cargo-Hosen oder in die kleine braune Umhängetasche. Dann packen sie das Smartphone wieder aus und hängen es noch einmal ans Ladekabel, 89 Prozent reichen nicht einmal, bis es dunkel ist, bei all diesen Bühnenfotos aus der Ferne und den vielen komplizierten Whatsapp-Nachrichten «Wo bisch?» – «Links ar länge Bar!» – «Vo unde us gseh oder vo obe?» Sie binden sich eine Regenjacke um die Hüfte, zur Sicherheit. Sie nehmen die Schlüssel fürs Büro vom Schlüsselbund und legen sie auf die Ablage im Gang. Dort liegen sie bis Montag. 

Die Bernerinnen und Berner sind am Gurtenfestival. 

Sarah Pfäffli

Samstag, 13. Juli 2013

Burn: Endlich Ruhe

In Biel war endlich Ruhe. Zum vorläufigen Abschluss des wahrscheinlich festreichsten Seeländer Sommers aller Zeiten beehrten Stars wie Steff la Cheffe oder Schwein & Hund den Pod’Ring, diese wunderbare Kulturwoche in der Altstadt. Er könne sich wirklich nicht erinnern, à Bienne jemals so viele Partys gefeiert zu haben wie 2013, meinte ein alter Bekannter, den ich zufällig beim Coiffeur traf. Turnfest, Braderie, Lauftage, Stedtlifescht und Pod’Ring seien verantwortlich dafür, dass er in den letzten 51 Tagen 28-mal betrunken nach Hause gekommen ist. 

Er sei froh, brummte der Bekannte, dass er nun Zeit habe für die erholsamen Dinge im Leben wie zum Beispiel arbeiten, Pétanque spielen oder eben zum Coiffeur gehen. Dummes Zeug erzählt und gehört habe er für diesen Sommer nun wirklich mehr als genug. Wir gaben uns also zeitgleich Kopfmassage und Nachmittagsberieselungsmusik hin. 

Dann nahm ein älterer Herr auf dem einzigen verbliebenen Coiffeurstuhl neben uns Platz. Die Coiffeuse wollte, ganz Coiffeuse, Smalltalk machen. Sie fragte ihn, wo er denn arbeite. Der Mann reagierte entsetzt. «Also bitte, ich frage Sie doch auch nicht, was Sie beruflich machen.» 

Fabian Sommer

Samstag, 6. Juli 2013

Burn: Stadtvögel

Jede Stadt hat ihr ganz eigenes Personal. Es sind ein paar Leute, eine Handvoll vielleicht, denen begegnet man immer wieder. Schnell einkaufen gehen, und schon trifft man vier bekannte Gesichter – von denen man zwar nichts weiss, mit denen man nie gesprochen hat und die man, ganz ehrlich, auch gar nicht unbedingt kennen möchte; die aber irgendwie zum Inventar gehören. «Heute war der ‹Sürpräis›-Verkäufer vor der Migros», erzählen wir uns dann. Oder dass jemand die Flötenspielerin am Bahnhof gesehen hat und ob man ihr etwas Geld gegeben hat oder nicht. Manchen unserer lieben Namenlosen haben wir eigene Namen gegeben – fast so, als wären es alte Bekannte. Der Turner, der stets forschen Schrittes und mit kurzen Hosen in der Stadt herummarschiert. Den Skaterboy trifft man beinahe jede Woche, ein mittelalterlicher Mann, der sich auffallend jugendlich kleidet. Oder die Drögeler-Frau, die aussieht, als wäre sie erst 16. Schwäbi, den Mann im grossen weissen T-Shirt, der so eigenwillig tanzt, habe ich allerdings schon lange nicht mehr gesehen. So geht es manchmal: Ganz allmählich verschwindet jemand aus dem Blickfeld, und man nimmt es anfangs gar nicht wahr. Bis man irgendwann merkt: Es fehlt etwas im Stadtbild.

Sarah Pfäffli