Samstag, 26. November 2011

Burn: Gruusigi blaui Dräcksau

Einen Feind wünscht man ja niemandem. Trotzdem hatte meine Gang jahrelang gleich zwei, und das freiwillig. Es gab «dr chly Feind» und «dr gross Feind» – beides uns unbekannte Männer, denen wir in Bern ständig begegnet sind und deren Erscheinungsbild einfach nervte. Mit der Zeit wurden diese Namen derart normal, dass wir sie ganz beiläufig benutzten: «Und der Feind war auch noch da.» – «Welcher, der grosse oder der kleine?»

Erst viel später habe ich festgestellt, dass wir nicht die einzigen waren, die in der Kleinstadt ihre Feinde pflegten. Ein Gspänli von mir hat ebenfalls einen Feind, und er kannte auch einen Typ mit Übernamen «Zelt». Bei uns gab es zudem «die Eule», den Mann mit dem seltsamen Namen «Das Jahr» oder «die gruusige Saumoore». Ein anderes Gspänli kannte eine «Fernschönheit» sowie «die gruusigi blaui Dräcksau». Niemand weiss mehr, wie diese böse Bezeichnung entstand. Nach und nach verlieren solche Übernamen ihre Bedeutung, sodass man, ohne mit der Wimper zu zucken, erzählen kann: «Gestern sah ich die gruusige blaui Dräcksau in der Migros.»

Vor kurzem nun habe ich den kleinen Feind kennen gelernt. Es war mir insgeheim ein bisschen peinlich, weil er in Wirklichkeit sehr nett ist. Ich kenne jetzt seinen richtigen Namen. Aber in meinem Kopf, ich brings nicht weg, bleibt er «dr chly Feind».

Sarah Pfäffli

Samstag, 19. November 2011

Bienne: Der letzte Bus

In Biel war Freitagabend, Mitternacht, ich hängte mit der Clique ab. Eine sehr gelungene Rapzeile übrigens. Ist von Bligg. Aus jener Zeit, als der noch Musik machte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Jedenfalls sassen wir an einem alten Holztresen und diskutierten über die heutige Jugend und darüber, dass in unserer Stadt nachts wenig los ist. Diesbezüglich, bemerkte ein alter Bekannter zähneknirschend, habens die Berner schon ein wenig besser. Alle nickten.

Wir trösteten uns schliesslich damit, dass es bei uns weder eine Lackschuhtragpflicht noch eine Cowboys-Bar gibt und dass man mit 30 sowieso lieber an alten Holztresen sitzt als in Discos rumhängt und später Partyfotos auf Facebook stellt.

Um kurz vor 1 Uhr nahm ich den letzten Bus nach Hause, wie man das mit 30 so tut. Es sollte sich einmal mehr lohnen. Vis-à-vis sass eine angeheiterte junge Dame von etwa 18 Jahren. Ein Kontrolleur stieg zu und wollte ihr Ticket sehen. Sie hatte keins. Er fragte nach der ID. Sie hatte keine. Er fragte, ob sie sonst irgendein Dokument mitführe, mit dem sie sich ausweisen könne. Sie sagte Nein und hielt inne. «Aber auf Facebook bin ich, da kannst du mein Freund werden», meinte sie dann.

Fabian Sommer

Samstag, 12. November 2011

Burn: Der Boden ist schuld

Wir haben ein Spiel, es geht so: Wer häufiger stolpert, verliert. Es ist ein schönes Ferienspiel, weil es so simpel die Schadenfreude bedient und es so viele Gelegenheiten gibt, Punkte zu sammeln – schliesslich sind Trottoirs und Strassen an den wenigsten Orten der Welt so eben wie bei uns.

Das Stoglispiel funktioniert aber auch in Bern sehr gut, Kopfsteinpflaster sei Dank. (Lange meinte ich ja, es heisse «Klopf-steinpflaster». Ich fände das immer noch besser, aber ich passe mich halt an. Ich kenne auch jemanden, der meint, es heisse «ankerum» statt «handkehrum». Mir gefällt das.) Jedenfalls: Ständig sehe ich Leute stolpern, ein international verbreiteter Vorgang: Man stolpert, kommt ins Trudeln, fängt sich wieder und schaut sich ärgerlich um, als ob der Boden was dafür könnte. Schliesslich tut man so, als ob nichts geschehen wäre, und geht mit vorsichtigeren Schritten weiter.

Das ist die gute Variante. Die weniger gute ist: durch eine Passage in der Stadt sprinten, weil man das Tram erwischen will, und der vollen Länge nach aufs Trottoir fliegen. So geschehen – mir, kürzlich.

Ich stand auf, sah mich empört um (das Trottoir war schuld!) und ging weiter, klopfenden Herzens und mit schmerzenden Knien. Im Ferienstoglispiel hätte ich haushoch verloren. Aber ich tat natürlich so, als wäre nichts geschehen.

Sarah Pfäffli

Samstag, 5. November 2011

Bienne: Am See

In Biel war schon Novemberdepression. Der EHC holte keine Punkte mehr. Die Sonne war nicht mehr länger als 15 Minuten am Tag zu sehen. Ein Alki sass im Coop-Supercenter hinter dem Bahnhof mit Bierdose auf einem dieser Massagestühle, ohne allerdings die fünf Franken für die Massage eingeworfen zu haben.

Nur gut, dass plötzlich ein alter Bekannter aufkreuzte und mich überredete, mit ihm eine Tour de Bielersee zu unternehmen. «Lass uns Seewein trinken», meinte er. Wir stellten dann rasch fest, dass der Bielerseewein von Jahr zu Jahr besser wird. Und beim Plaudern mit einem knorrigen Weinbauern aus Twann merkten wir, wie gut der Winzerhumor gegen die Novemberdepression ist. Der Mann erzählte uns die Anekdote von zwei Bielersee-Weinbauern, die in einem Bistro in Paris sitzen und einen Halben Twanner ordern. Der Kellner ist verwirrt und fragt beim Chef nach, was er tun soll. «Misch drei Dezi Essig mit zwei Dezi Hahnenwasser und stell das auf den Tisch», erklärt der weit gereiste Chef. Der Kellner tut, wie ihm befohlen. Die Weinbauern prosten sich zu, halten einen Moment lang inne. «Ich sage es ja schon lange», sagt der eine dann, «den guten exportieren sie.»

Fabian Sommer