Samstag, 25. Juni 2011

Burn: Ein guter Grund

Es gibt keinen Grund, nach Langenthal zu fahren. Ich weiss es, ich habe drei Jahre dort gearbeitet und war seither glaubs nie mehr dort. Das ist bald sechs Jahre her. Wer nicht in Langenthal aufgewachsen ist – oder in Huttu oder Lotzbu oder Chlydietu –, der kommt gut durchs Leben, ohne je einmal in Langenthal gewesen zu sein. Klar, die Stadt hat ein hübsches Zentrum. Aber davon gibts in der Schweiz genug. Sogar Olten hat ein schönes Zentrum im Fall! Und ja, in Langenthal stehen überall Fabrikantenvillen mit riesigen Gärten. Aber das nützt ja nichts, wenn man nicht drin wohnt. Sogar einen Manor hats in Langenthal. Was aber als touristisches Argument nicht einmal Berner ganz überzeugt.

Trotzdem war ich kürzlich dort. Aus einer Laune heraus. Ich schlenderte durch den gefühlt grössten Coop überhaupt. Ich probierte Schuhe an in Läden, in denen meine Grösse noch nicht ausverkauft war. Und dann bestellte ich wieder einmal den besten Kebab der Welt. Die Kebab-Mannen taten so, als würden sie mich noch kennen nach all den Jahren. Neben meinem Tisch hechteten Fische in einem Bach nach Fladenbrotbrösmeli. Mit der Sonne im Gesicht und zweifelhaften Saucenflecken auf den Kleidern bestieg ich den Zug nach Bern. Ich hatte es vergessen. Es gibt doch einen Grund, nach Langenthal zu fahren.

Sarah Pfäffli

Samstag, 18. Juni 2011

Bienne: Adieu, Kater!

In Biel war die Party eben erst zu Ende und der Himmel schon wieder sehr hell. Beim Aufwachen tat vieles weh, und so entschloss ich mich, einen Ausflug in ein nahe gelegenes Einkaufszentrum zu machen. Ich wollte Mineralwasser kaufen und viel Aspirin. Und ein Bummel vorbei an Weissbier-Promo-Stand und Degustationsecken kann ja eh nie schaden. Den alten Bekannten, der Vitamintabletten und genoppte Kondome auf die Theke der Apotheke legte, ignorierte ich. Stattdessen bestaunte ich eine Gruppe Amerikaner, die wegen des 100-Kilometer-Laufs angereist waren oder wegen der touristischen Anziehungskraft der Dreiseenregion, wer weiss das schon. Sie studierten Badezusätze. Eine Frau sagte: «Bad aroma! Who the hell wants to buy this?» Meine Kopfschmerzen liessen nach, ich spielte gar kurz mit dem Gedanken, doch noch ein Weissbier wegzudrücken. Dann sah ich einen ungefähr 40-jährigen Mann. Er trug Birkenstöcke und ein beiges Jackett. Auf seinem Arm machte es sich ein etwa 2-jähriges Kind gemütlich. Vor dem Glacestand begann es zu nerven: «Ich will Glace! Ich will! Ich will!» Der Mann sagte: «Ich habe die Glacefrage bereits abschliessend beantwortet, Julian.» Kurz darauf spürte ich es deutlich: Mein Kater war abschliessend verflogen.

Fabian Sommer

Samstag, 11. Juni 2011

Burn: Wuti, J.P. und Köfferli

Bis vor kurzem wohnte ich in der Nähe von J.P. Love, Sie wissen schon, der ältere Typ mit den langen Haaren, der mal ein wenig bekannt war, weil er - er! - in Erotikfilmen mitgespielt haben soll. Jetzt bin ich umgezogen, verreise in die Ferien, und wen sehe ich als erstes am Flughafen? Genau. Am Gate dann ein etwa 50-jähriger Mann, Glatze, hoher Blutdruck, der die Easyjet-Angestellten zusammenscheisst, weil er für sein zweites Handgepäck, eine Tennistasche, zahlen muss. Nennen wir ihn Wuti, den Wutbürger. Auf der Rückreise: Das gleiche Theater. «I want your name», droht Wuti der Frau von der Fluggesellschaft. Und fügt resigniert hinzu: «And nobody speaks German here.» Ja, seltsam, und das in Spanien.

Im Flugzeug sitzen wir neben einer Frau, die ebenfalls für Übergepäck zahlen musste. Sie sagt Sätze wie: «Mis Köfferli het zviu gfrässe.» Vor uns eine Familie, der Papa hat Mèches, die Gofen treiben Unfug, alles normal, wenn eines der Kinder nicht Leeroy heissen würde. Aber so bekommt man Ohrenpfeifen, weil die Mutter das ständig hässig auf Berndeutsch-Englisch ausspricht. Liiiroii! So ist das mit dem Verreisen. Man kann Bern nicht entkommen. Nicht den Wut- und Mitbürgern. Und nicht sich selber. Aber sonst waren die Ferien schön. Weil wir waren im Hinterland der Insel, im Fall.

Sarah Pfäffli

Samstag, 4. Juni 2011

Bienne: Blau-Rot-Grün

In Biel war ein gepflegter Weinanlass, das perfekteste aller Deckmäntelchen für hemmungs- und kostenlosen Alkoholgenuss überhaupt. Es gab strohgelben Arneis aus dem Piemont und einen Schweren, fast Violetten aus Sizilien. Nicht unerwartet kam ich Stunden später sehr blau aus der Verkostung von Weissem und Rotem heraus. Auf dem Nachhauseweg geschah es dann. Vor einer passend zur Degustation auf Rot stehenden Fussgängerampel behauptete eine alte Bekannte, sie kenne einen Zauberknopf, der einen nicht unerheblichen Zeitgewinn bringe. Ich stutzte noch, als sie kurz unter den gelben Schalter an der Ampel griff. Und schwuppdiwupp ward es: grün.

Am nächsten Tag ging ich der Sache nach, mit zur Situation passender, grünlicher Gesichtsfarbe. Ich fand heraus: Die Zauberknöpfe gibt es wirklich. Fussgängerampeln an sogenannten Blindenzirkulationswegen sind mit einem Schnellschalter ausgerüstet, erklärte ein Sprecher des kantonalen Tiefbauamts vor einiger Zeit in dieser Zeitung. Wird der Knopf betätigt, schaltet die Ampel schneller um und bleibt länger grün.

Ich kenne nun also das Geheimnis der Zauberknöpfe. Und auch den praktischen Nutzen für Nichtblinde: Nächstes Mal werde ich drei Minuten vor allen anderen am Weinanlass sein.

Fabian Sommer