Samstag, 18. Dezember 2010

Bienne: Trost am Bahnhof

In Biel war die Stimmung schon besser. Einerseits schwächte der 8:1-Triumph der Berner Hockeyaner über Biel den (trotzdem auf ewige Zeiten eingebrannten) 7:1-Sieg der Bieler gegen die gleichen Berner ein paar Wochen vorher ein bisschen ab. Andererseits wurde gerade bekannt, dass der SC Bern dem EHC Biel den hoffnungsvollen Jungnationalspieler Kevin Lötscher wegkauft.

Für den alten Bekannten, den ich im Bus traf, war dieser Transfer symbolisch, für so ziemlich alles. Siehst du, jammerte er, in Bern ist alles besser und schöner. In Bern ist das Geld und ist die Lebensqualität. In Bern sind die lukrativen Jobs, die gepflegten Wohnviertel. Und die erfolgreichen Hockeyspieler.

Als wir am Bahnhof Biel ausstiegen, kamen zwei sehr gut aussehende und sehr gut zurechtgemachte Frauen auf uns zu. Sie zogen Rollkoffer hinter sich her. Der alte Bekannte fragte sie, ob sie in die Ferien fahren oder gerade von den Ferien nach Hause kommen.

Wir kommen zum Arbeiten, sagte die eine Frau mit schön slawischem Akzent. Im Sexshop, ergänzte die andere.

Der Bekannte konnte wieder lachen. So cool drauf sind solche Mädchen in Bern bestimmt nicht, sagte er.

Fabian Sommer

Samstag, 11. Dezember 2010

Bern: Im Kintsch

Ich bin absolut pro Hochdeutsch im Kindergarten. Ich kann die Ängste um das schöne Berndeutsch nicht nachvollziehen; ich selbst liebe alte Wörter. Mein Grosi und seine Schwestern geben sich etwa ein «Ärfeli», wenn sie sich sehen: eine herzliche Umarmung. So ein hübsches Wort!

Das hab ich in mein Wörter-Museum aufgenommen. Ich mag auch «Vagant» oder «Längizyti» oder «Hootsch», freue mich über lautmalerische Verben wie «tschudere» oder «tschädere». Erst kürzlich hab ich gelernt, was das Vogulisi für eine ist! Huiuiui!

Mit meiner Generation an der Front muss sich niemand Sorgen machen, das Berndeutsch sterbe aus. Weil die ist ja total rückwärtsgewandt. Sitzt auf alten Möbeln, hört alte Musik, macht alt aussehende Fotos. Wir sind super Konservatoren.

Wir sollten uns eher um die Hochsprache sorgen. Schon mal Schweizer mit Ausländern reden gehört? Da ist dann fertig Verben konjugieren. Neulich die Chefin im Laden zur asiatischen Angestellten: «Ciao Fresh, wir schauen dann morn, ob du ender nach Hause können.»

Aber es gibt auch immer wieder Anlass, für Frühenglisch zu plädieren. Mich streifte der Gedanke kürzlich in Interlaken, als ich am Bahnhof auf einem Plakat las: «Fuck me, i’m a celabertie!»

Sarah Pfäffli

Samstag, 4. Dezember 2010

Bienne: Winter in der Stadt

In Biel war also jetzt auch Winter. Schlimm. Salz an den Schuhen, Matsch auf dem Trottoir. Traurigkeit und Müdigkeit in den Gesichtern.

Es sei noch gar nichts entschieden, sagte ein alter Bekannter, der sich gerade einen Enteisungsspray für sein Schloss gekauft hatte und mich zwecks Begiessung dieser Anschaffung zu einem Glühwein einlud.

Der Bekannte sprach über die Wahlen in Biel und sagte noch einmal: Entschieden ist noch gar nichts. Im zweiten Wahlgang im Kampf ums Stadtpräsidium kommt es zum Showdown zwischen dem Steuerverwalter, der auch zum Bräteln Frack trägt, und der grünen Lesbe.

Ich überlegte kurz und widersprach. Entschieden ist mit dieser Wahl schon viel, sagte ich. Der Porsche-, der Taxi- und die anderen Spassmobilfahrer von rechts aussen hatten im Kampf um das Stadtpräsidium nämlich null Chance. Damit haben wir das Schlimmste abgewendet.

Der alte Bekannte sah das zum Glück ähnlich – wohl auch, damit wir das Thema Politik endlich ad acta legen und einen zweiten Glühwein ordern konnten. Sein Kollege, sagte der Bekannte, sei jetzt aus dem Klub der Wandervögel ausgetreten. Dort sei leider immer nur gewandert worden.

Es dauerte ein paar Sekunden. Dann verschwanden Traurigkeit und Müdigkeit für einen Moment aus unseren Gesichtern.