Samstag, 31. Oktober 2009

Bern: Einen Falafel bitte

Mein Quartier zeichnet sich durch entspannte Langeweile aus. Keine Szene-Lounges, keine Bioläden, kein Latte macchiato. Nur Coiffeursalons und tamilische Durcheinandershops. Und der beste Kebab der Stadt. Vom empfindlichsten Kebab-Mann der Stadt.

Das weiss ich, weil: Einmal habe ich fünf Kebabs bestellt (ab und zu lädt die Dame von Welt ja zu einem gepflegten Dîner). Allerdings holte ich sie fünf Minuten zu spät ab. Das fasste der Kebabmann als persönliche Beleidigung auf. Er war gekränkt. Und straft mich seither damit, dass er mich nicht in den Kreis der Stammgäste aufnimmt. Seit über einem Jahr betrete ich einmal pro Woche sein Lokal und bestelle einen Dürüm. Jedes Mal tut er so, als wäre ich zum ersten Mal da. Jedes Mal werde ich gefragt, ob mit scharf, ob mit alles, ob mit Joghurt- oder Cocktailsauce. J.e.d.e.s. M.a.l.

Ich gehe standhaft weiter zu ihm. Eines Tages werde ich das Lokal betreten, und er wird mich ungefragt mit dem perfekten Dürüm bedienen.

Dann werde ich sagen: Ach nö, heute hätt ich gern einen Falafel.

Sarah Pfäffli

Samstag, 24. Oktober 2009

Bienne: Nichts los, gut so

In Biel war langsam Winter, es gab Minzentee mit Schuss. Ich überlegte, ob es Sinn macht, Kollegin Pfäfflis Doppelspie-gel-mal-Gotteszahl-und-immer-noch-1-mehr-Erguss von vorvorletzter Woche noch einmal Beachtung zu schenken und kam zum Schluss: nein.

Gleicher Meinung war ein alter Freund, der sich dazusetzte. Besser ist es, sagte er, einfach dazusitzen und Biel in der Kälte anzuschauen.

Wir beobachteten: schön wenig Nebel. 1 sehr alte Frau mit Rollomat-Dingsbums, fluchend. 1 Liebespaar, sich mit recht blauen Lippen küssend. 1 sehr dicker Mann, halslos wie Huggel. 1 Hure mit Hund, telefonierend. 1junger Mann, einem anderen jungen Mann ein Velo über den Kopf schlagend. 1 Fernseher im Schaufenster, Teletextseite 241, Biel–Genf 4:2.

Viel passierte nicht mehr an diesem Abend. Musste auch nicht. Heute ist, sagte der Freund, einfach mal alles so, wie es sein soll, wenns Winter wird in Biel.

Fabian Sommer

Samstag, 10. Oktober 2009

Bern: Gotteszahl!

Früher ging das so: Wenn ein Kind ein anderes beleidigte, konnte das beleidigte Kind seine Handfläche zeigen und rufen: «Spiegel!» Die Beleidigung prallte dann zurück auf den Beleidiger, logo. Worauf wiederum das erste Kind beide Hände hochhalten konnte zum «Doppelspiegel», was dann das zweite Kind dazu brachte, «Doppelspiegel mal Gotteszahl» zu sagen. Dann hatte das erste Kind natürlich nichts mehr zu melden, der Streit war vorbei, denn Gotteszahl ist die grösste Zahl, die es gibt. Ist ja klar.

Dieser hübsche Ablauf fiel mir wieder ein, als ich letzte Woche Monsieur Sommers Replik las. (Die ging etwa so: «Stimmt gar nicht, dass wir Bieler verkrampft sind, ihr Berner seid ja selber verkrampft, nämlich!»)

Ich hab jetzt aber keine Zeit mehr für solche Kinderspielchen, weil an meine Tür klopft ein eleganter Herr, sein Name ist Herbst, wir gehen an der Front Vermicelles essen und werfen dann noch einen Blick auf die Alpen. Also adieu.

(Nur noch eines, Monsieur Sommer: Doppelspiegel mal Gotteszahl und immer noch 1 mehr.)

Sarah Pfäffli

Samstag, 3. Oktober 2009

Bienne: Entspannter Stolz

In Biel war Samstag, es gab Kaffee, Gipfeli und Zeitung. Ich las Kollegin Pfäfflis jüngste Kolumne. Skeptisch macht es also, dass wir Bieler ständig betonen müssen, wie gut unsere Stadt doch ist. Wir sollen uns mal entspannen.

Ich überlegte noch, was ich mit den Worten aus Bern anfangen sollte, als ein alter Freund nebenan Platz nahm. Entspannen, sagte er nach der Zeitungslektüre. Entspannen sei ein gutes Stichwort. Das sei exactement das, was uns von den Bernern unterscheide. Das Entspanntsein.

Früher, berichtete er, habe er mal kurz in Bern gelebt. Der See habe ihm gefehlt, klar, die Altstadt. Und die Hanfläden. Wirklich gestört habe ihn in Bern aber die Mehrheit der Bewohner. Nur ja nicht mit Fremden sprechen, nur ja kein Französisch verstehen, nur ja immer die komplizierte Frisur spazieren führen.

Dass wir Bieler da entspannter seien, mache ihn stolz, sagte der Freund. Verdammt stolz.

Fabian Sommer