Samstag, 31. August 2013

Burn: Mein neuer Unort

Für manche Menschen ist es die Höchststrafe, am Samstag um 18 Uhr in der Migros oben im Bahnhof einzukaufen. Dann, wenn halb Bern plötzlich einfällt: Huch! Wir haben ja noch nichts eingekauft! Was machen wir am Sonntag nur! Wir werden verhungern!

Mir machen die Menschenmassen dort nichts aus. Entspannt schlängle ich mich durch die Regale, überhole streitende Paare, tobende Kinder, bekiffte Teenager, hole mein Farmer- Pecannuss-Müesli und steuere stracks an die Selbstbedienungskasse. No Problemo. Der Laden ist eng, aber freundlich. 

Ganz anders der Coop im Bahnhof. Das ist für mich der neue Berner Unort. Dabei bin ich ein Coop-Kind, ich mag Marken, Wein, spezielles Gemüse, da ist man bei Coop besser bedient. Doch die niedrige Decke, das kalte Licht, das Kassenanweiser-Sicherheitspersonal, das Sortiment (ich zählte gut zwei Dutzend Gemüsesorten, aber mehr als 100 Alkoholarten, noch ohne Wein!): ein trauriger Laden. Vermutlich perfekt für das Bahnhofvorplatzpersonal. Ich hingegen werde am Bahnhof zum Migros-Kind. 

Sarah Pfäffli

Samstag, 24. August 2013

Bienne: Hunde aller Art

In Biel war Montagnachmittag, und am Montagnachmittag haben Bewohner und Besucher unserer Stadt jeweils die Chance, einem Schauspiel beizuwohnen: Suchtmittel konsumierende Frauen und Männer aus der Region bekommen laut Behörde die Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten einzusetzen, Ressourcen zu aktivieren und einen legalen Verdienst zu erzielen. Man könnte auch sagen: Junkies putzen für 8 Franken Stundenlohn die Strassen. Das ist auf jeden Fall ein sinnvolles und lobenswertes Projekt, vor allem aber ist es unterhaltsam. Am letzten Montagnachmittag etwa waren drei arme Tröpfe unterwegs; nennen wir sie Fredy, Fridu, Fränzu. Sie schoben in über die zerfetzten Kleider gewürgten orangen Gwändli Besen, Schaufel und Abfallsackwägeli vor sich hin, ein Hund trottete mit. 

Nach einiger Zeit stillen Wischens fragte Fredy: «Sag mal, Fridu, beisst dein Hund?» Fridu antwortete: «Sicher nicht!» Fredy ging auf den Hund zu, wollte ihn streicheln. Der Hund aber schnappte zu, voll in Fredys Finger. Fredy schrie auf und schimpfte: «He, Fridu, du hast gesagt, dein Hund beisse nicht!» Fridu sah Fredy lange an, dann sagte er: «Hab ich gesagt, das sei mein Hund? Der gehört Fränzu!» 

Fabian Sommer

Samstag, 17. August 2013

Burn: I like Young Boys

Olé, olé! Bern ist euphorisch, und Schönwetterfans wie ich kriechen aus ihren Löchern. YB hat bisher alle Spiele der Saison gewonnen! Ausserdem, und das ist natürlich noch viel wichtiger, ist der Trainer der Young Boys die Sexbombe der Liga! «Schweizer Frauen wollen mit Uli Forte ins Bett!» So stand es im «Blick», und dann muss es stimmen. Ich kenne zwar keine dieser Frauen, mais bon. Einige Tage zuvor hatte die Zeitung Forte bereits angeboten, ihm eine Freundin zu suchen. Er lehnte dankend ab. Dieser Mann ist quasi mit dem Fussball verheiratet. 

Klar, sind auch die Männer beeindruckt. Es gibt jetzt T-Shirts mit dem Aufdruck «Fear the Beard», die Uli Fortes vorzüglichen Bartwuchs thematisieren. Die YB-Verantwortlichen versuchen unterdessen mit ihren abgegriffensten Floskeln, die Erwartungen zu dämpfen. Wir müssen jetzt auf dem Boden bleiben! Einfach von Spiel zu Spiel schauen! Die Saison ist noch lang! 

Dabei wäre die rhetorische Prävention gar nicht nötig. Die Berner werden schon nicht abheben, sie sind Rückschläge gewohnt. Als YB-Fan muss man quasi permanent untendurch. Wie der Bekannte, der in die USA reiste und am Zoll in typisch amerikanischem Small Talk nach seinem Lieblingssportteam gefragt wurde. 

«I like Young Boys», sagte er etwas unbeholfen. 

Der Zollbeamte war plötzlich nicht mehr so freundlich. 

Sarah Pfäffli

Samstag, 10. August 2013

Bienne: An der Tanke

In Biel war Glutofenhitze. Mir gefiel das ausgesprochen gut. Es gibt ja wenig auf der Welt, das derart nervt wie jene Leute, die im Sommer über die ach so heisse Sonne jammern und über Weihnachten dann auf die Malediven fliegen, weil es bei uns ach so kalt ist. Zut alors, ihr Jammerer, freut euch doch einfach mal über diese schön schweisstreibenden Sommertage! 

Ich habe einen alten Bekannten, der ist auch so ein Gränni. Temperaturen über 22 Grad lösen bei ihm Brechreiz aus, zwischen Mai und September bleibt er zu Hause und lässt die Storen unten.
Absurderweise aber war es just jener Bekannte, der mich mit einer Idee zur Gestaltung eines freien Donnerstagabends Anfang August überzeugte, ja begeisterte: Wir fuhren nach La Chaux-de-Fonds, um uns das erste Freundschaftsspiel des EHC Biel vor Ort anzuschauen. Es gebe nichts Angenehmeres, als im August in Flip-Flops und kurzen Hosen in einem Eisstadion zu sitzen und sich eine echte Wintersportart zu Gemüte zu führen, meinte der alte Bekannte schon vor der lauschigen Fahrt durch den Neuenburger Jura. Er sollte recht behalten, auch wenn es über das Spiel wenig bis nichts Erwähnenswertes zu berichten gibt. 

Allein die Reise nach La Chaux-de-Fonds aber rechtfertigte den Plan vollends: Auf halbem Weg meldete das Auto des Bekannten, dass es Benzin brauche. Diesem Wunsch kamen wir an der nächsten Tankstelle nach. Als wir danach im Shop bezahlten, bestellte der Bekannte bei der Verkäuferin eine Schachtel Zigaretten.
Die junge Frau schaute ihn lange an, dann fragte sie: «Sind Sie denn schon 18 Jahre alt?» Der alte Bekannte, übrigens kürzlich 34 geworden, überlegte kurz. Dann sagte er: «Nein, wie kommen Sie darauf? Ich habe soeben mein Fahrrad für 93.75 Franken vollgetankt.» 

Fabian Sommer

Samstag, 3. August 2013

Burn: Das Eine

In Bern geht es im Ausgang eigentlich immer nur um das Eine. Das merkt man besonders im Sommer. An jedem Gratisquartierfest. Zum Beispiel am Jurastrasse- oder am Velokurierfest in der Lorraine, in der es sich ausgiebig feiern lässt, ohne dass eine Frau Müller die Polizei anruft. Da machen es eigentlich alle, stundenlang, wir Berner lieben es. Oder in der Länggasse, wo in den letzten Jahren so viele neue Lokale aufgetaucht sind, dass das Quartier richtig hauptstädtisch geworden ist. Meistens tun es die Leute gleich vor den Beizen. Auf offener Strasse. 

Viel brauchen die Berner dazu nicht. Nicht einmal Musik. Die ist ohnehin Nebensache, selbst wenn sich auf einer Bühne eine Band redlich bemüht. Wichtiger als jeglicher künstlerischer Wert ist in Bern, dass ein Anlass gratis ist. Aber selbst am Gurtenfestival, das stolze Ticketpreise verlangt, musikalisch kaum mehr relevant ist und dann doch immer neue Besucherrekorde vermeldet, wollen alle eigentlich bloss etwas. Das gilt sogar für die Leute auf dem Reitschule-Vorplatz, zumindest für die friedlichen 90 Prozent. 

Im Ausgang geht es den Bernern nur um das Eine. Chly umestah. Und dabei chly schnurre. U chly suufe. 

Sarah Pfäffli

Samstag, 27. Juli 2013

Bienne: Familien-Sommer

In Biel war genau 10.30 Uhr. Normalerweise tummeln sich um diese Zeit in den grossen Einkaufszentren der Stadt ja vor allem zum Nichtstun Gezwungene aller Art: Rentner, Arbeitslose, Asylbewerber.
Während der grossen Ferien im Juli und August ist das anders, wie ich beim Besorgen von Grillgut für den Abend feststellen konnte: Daheim gebliebene Familien nutzen die Extrazeit, um gemeinsam einzukaufen. Wahrscheinlich, damit sie spätestens um 13 Uhr im Strampi sind. So übrigens nennen wir, liebe Nicht-Bieler, unser schönes Strandbad. 

Ich legte also die Kohle ins Körbchen und die Würste und das Bier. Und malte mir schon aus, wie es einmal sein wird, wenn ich Kinder habe und Sommerferien. 

Beim Regal mit dem Spielzeug durfte ich dann den intensiven Verhandlungen eines Vaters mit seinem etwa 5-jährigen Sohn beiwohnen. Der Sohn flehte: «Darf ich das haben, bittebittebitte?» «Nein», sagte der Vater. Der Sohn schlug vor, dass er die Hälfte des Kaufpreises von seinem Sackgeld beisteuern könnte. «Ich zahle aber die andere Hälfte nicht», sagte der Vater triumphierend. Der Sohn überlegte einen Moment. Dann meinte er: «Dann mache ich es kaputt, und du musst es bezahlen.» 

Fabian Sommer

Samstag, 20. Juli 2013

Burn: Z Bärg

Die Bernerinnen und Berner nehmen ihre Hüte aus den Schränken, blasen den Staub weg, schmieren sich mit Sonnencreme ein, vergessen einen Hautflecken auf der Schulter, der dann später rot leuchten wird. Sie drapieren ihre Kleider rund um ihre Tattoos, sodass die Schriftzüge auf den Unterarmen sowie die Sterne, Blumen, Schmetterlinge im Nacken zur Geltung kommen. Sie ziehen Dreiviertelhosen an, schlüpfen in die Flipflops, riechen noch einmal an den Achselhöhlen, legen etwas Deo nach. Sie schminken sich dezent, decken die Augenringe ab. Sie zöpfeln ihre Haare oder verwuscheln sie mit diesem teuren Wachs vom Coiffeur. Sie packen Geld und Smartphone und Stimorol und Billett in die Seitentaschen der Cargo-Hosen oder in die kleine braune Umhängetasche. Dann packen sie das Smartphone wieder aus und hängen es noch einmal ans Ladekabel, 89 Prozent reichen nicht einmal, bis es dunkel ist, bei all diesen Bühnenfotos aus der Ferne und den vielen komplizierten Whatsapp-Nachrichten «Wo bisch?» – «Links ar länge Bar!» – «Vo unde us gseh oder vo obe?» Sie binden sich eine Regenjacke um die Hüfte, zur Sicherheit. Sie nehmen die Schlüssel fürs Büro vom Schlüsselbund und legen sie auf die Ablage im Gang. Dort liegen sie bis Montag. 

Die Bernerinnen und Berner sind am Gurtenfestival. 

Sarah Pfäffli

Samstag, 13. Juli 2013

Burn: Endlich Ruhe

In Biel war endlich Ruhe. Zum vorläufigen Abschluss des wahrscheinlich festreichsten Seeländer Sommers aller Zeiten beehrten Stars wie Steff la Cheffe oder Schwein & Hund den Pod’Ring, diese wunderbare Kulturwoche in der Altstadt. Er könne sich wirklich nicht erinnern, à Bienne jemals so viele Partys gefeiert zu haben wie 2013, meinte ein alter Bekannter, den ich zufällig beim Coiffeur traf. Turnfest, Braderie, Lauftage, Stedtlifescht und Pod’Ring seien verantwortlich dafür, dass er in den letzten 51 Tagen 28-mal betrunken nach Hause gekommen ist. 

Er sei froh, brummte der Bekannte, dass er nun Zeit habe für die erholsamen Dinge im Leben wie zum Beispiel arbeiten, Pétanque spielen oder eben zum Coiffeur gehen. Dummes Zeug erzählt und gehört habe er für diesen Sommer nun wirklich mehr als genug. Wir gaben uns also zeitgleich Kopfmassage und Nachmittagsberieselungsmusik hin. 

Dann nahm ein älterer Herr auf dem einzigen verbliebenen Coiffeurstuhl neben uns Platz. Die Coiffeuse wollte, ganz Coiffeuse, Smalltalk machen. Sie fragte ihn, wo er denn arbeite. Der Mann reagierte entsetzt. «Also bitte, ich frage Sie doch auch nicht, was Sie beruflich machen.» 

Fabian Sommer

Samstag, 6. Juli 2013

Burn: Stadtvögel

Jede Stadt hat ihr ganz eigenes Personal. Es sind ein paar Leute, eine Handvoll vielleicht, denen begegnet man immer wieder. Schnell einkaufen gehen, und schon trifft man vier bekannte Gesichter – von denen man zwar nichts weiss, mit denen man nie gesprochen hat und die man, ganz ehrlich, auch gar nicht unbedingt kennen möchte; die aber irgendwie zum Inventar gehören. «Heute war der ‹Sürpräis›-Verkäufer vor der Migros», erzählen wir uns dann. Oder dass jemand die Flötenspielerin am Bahnhof gesehen hat und ob man ihr etwas Geld gegeben hat oder nicht. Manchen unserer lieben Namenlosen haben wir eigene Namen gegeben – fast so, als wären es alte Bekannte. Der Turner, der stets forschen Schrittes und mit kurzen Hosen in der Stadt herummarschiert. Den Skaterboy trifft man beinahe jede Woche, ein mittelalterlicher Mann, der sich auffallend jugendlich kleidet. Oder die Drögeler-Frau, die aussieht, als wäre sie erst 16. Schwäbi, den Mann im grossen weissen T-Shirt, der so eigenwillig tanzt, habe ich allerdings schon lange nicht mehr gesehen. So geht es manchmal: Ganz allmählich verschwindet jemand aus dem Blickfeld, und man nimmt es anfangs gar nicht wahr. Bis man irgendwann merkt: Es fehlt etwas im Stadtbild.

Sarah Pfäffli

Samstag, 29. Juni 2013

Bienne: Ego-City

In Biel war der Alltag eingekehrt. Das Eidgenössische Turnfest war zu Ende gegangen, Zehntausende Trainerjäckchenträger waren auf einen Schlag weg. 

Was bleibt, sind die Erinnerungen. Zuerst einmal jene an den schönen Wahnsinn in der Stadt, an die fantastische und immer friedliche Stimmung an der Riviera, an die vielen glücklichen Gesichter. An Turner, die morgens um 7 Uhr nach einer durchfeierten Nacht nackt im Bielersee planschten. Dann bleiben die traurigen Erinnerungen. Unglaubliche zweimal in zehn Tagen zerstörten Stürme alles, was nicht niet- und nagelfest war, es gab fast hundert Verletzte. Im Stadtpark traf ich einen alten Bekannten. Das Absurdeste an der Sache sei doch, meinte er, dass die Natur genau dann und genau über uns ihre hässlichste Fratze zeigt, wenn Biel so viele Besucher zu Gast hat wie selten in der Geschichte. Offenbar, sagte er nachdenklich, will irgendjemand Übergeordnetes sagen: Hier ist Ego-City! Die Schönheit Biels gehört nur den Bielern! 

Seit gestern übrigens ist bei uns Braderie, das grösste Sommerfest im Seeland. Von weit her reist dafür kaum jemand an. Sturm, Hagel und Gewitter sind auszuschliessen. 

Fabian Sommer

Samstag, 22. Juni 2013

Burn: Applauso!

In Bern haben es Velofahrer schwer. Hier hat es Einbahnstrassen an den unpraktischsten Orten. Busse, die so nah wie möglich auffahren und überholen. Automobilisten, die einen fast überfahren, weil sie plötzlich rechts abbiegen. Kopfsteinpflaster. Ampeln mit viel zu kurzen Grünphasen, wie jene am Bollwerk Richtung Bahnhof, wo ich schon mehrmals knapp nicht zu Tode kam. 

Ich fahre viel in Zürich Velo, aber Bern ist schlimmer. Besonders die alten Leute, die einem Schlämperlige hinterherrufen. In Zürich hat mich noch nie jemand angemotzt. In Bern sind die Hobbypolizisten nie weit. Kurz aufs Trottoir ausgewichen: schon ein Zusammenschiss. Wie geht das wohl den Velokurieren? Bei Rot über die Kreuzung fahren ist ja quasi deren Job. 

Dieses Wochenende sind Europameisterschaften. Auf dem Bundesplatz und am Gurten messen sich die Mountainbiker. Das ist ein Event, wie er sich gehört, mit einem Stadtpräsidenten, der eine glatte Rede hält, und einem deutschen Speaker, der bei italienischen Fahrern «Applauso!» kalauert. In der Lorraine halten gleichzeitig die Velokuriere ihre EM ab. Das ist ein Fest, wie es sich gehört, mit Musik und Bier. 

Die Hobbypolizisten sollten ihr dickstes Nervenkostüm anziehen. Dieses Wochenende gehört die Stadt den Velölen. Ausnahmsweise. Applauso! 

Sarah Pfäffli

Samstag, 15. Juni 2013

Bienne: Raclette mit alles

In Biel war der Supersommer voll im Gange. Definitiv nicht des Wetters wegen, wie ein alter Bekannter bemerkte. Sondern, weil seit der Expo.02 in unserer kleinen Stadt nie so viel los war.
Etwa 60 000 Turner, 120 000 Zuschauer und 8000 Helfer besuchen Bienne seit vorgestern und bis Ende nächster Woche. Wir organisieren den grössten Sportanlass des Landes, das Eidgenössische Turnfest. Und, logisch: Die anderen regulären, legendären Bieler Sausen wie Braderie oder 100-Kilometer-Lauf finden natürlich genauso statt. 

Bis jetzt, sagte der Bekannte bei einem Kaffee am See, bereite ihm der Supersommer trotz des krassen Sturms vom Donnerstag viel Freude. Es seien allerdings weniger die Sportanlässe, Konzerte oder Partys, die ihm in Erinnerung blieben, sondern mehr die diversen lustigen Leute an den diversen lustigen Ständen. Bei einem Kebabverkäufer zum Beispiel sei gestern vor ihm ein junger Mann mit Goldkette an der Reihe gewesen. Der Mann: «Ein Döner Kebab mit alles.» Der Verkäufer: «Es heisst, mit allem, junger Mann.» Der Mann: «Gib schon Kebab mit alles.» Der Verkäufer: «Ich gebe dir deinen Döner Kebab erst, wenn du es richtig sagst.» Daraufhin sei der Goldkettenträger wortlos in Richtung Raclettezelt verschwunden. 

Fabian Sommer

Samstag, 8. Juni 2013

Burn: Pech an der Kasse

Manche Menschen wählen sich mit hoher Zuverlässigkeit an der Ladenkasse immer jene Schlange aus, bei der es am längsten dauert. Ich gehöre selbstverständlich dazu und auch zu jenen Leuten, die dann gern ungeduldig an eine andere Kasse wechseln, was natürlich eine sehr blöde Idee ist, weil ausgerechnet dann die Kassiererin noch schnell die Papierrolle wechseln muss. Oder von einem Kollegen abgelöst wird. Oder dann hat der Kunde ganz vorne vergessen, die Bananen zu wiegen, und jetzt muss er in die Fruchtabteilung rennen und den Aufkleber drucken. Den klebt er aber so unglücklich auf die Bananen, dass der Strichcode nicht mehr lesbar ist und die Kassiererin deshalb die darunterstehende Zahlenreihe entziffern und eintippen muss. Die nächste Kundin telefoniert und hat deshalb Mühe, ihr Geld aus dem Portemonnaie zu klauben, sie muss erst das iPhone zwischen Schulter und Kopf einklemmen. «Nehmen Sie die Märkli?» – «Wie? Sorry, ich bin grad am Telefon.» Aber meine Lieblinge an der Kasse sind die, die kein einziges Produkt aufs Band legen können, bevor ihre Einkäufe nicht sauber von jenen ihres Vordermanns abgetrennt sind. Sie warten ganz ungeduldig, bis dieser endlich den Warentrennstab platziert. Wer weiss, was ohne den alles passieren könnte.

Sarah Pfäffli

Samstag, 1. Juni 2013

Bienne: Bizarre Angst

In Biel war die Verwirrung allmählich gross. Auf sämtlichen Kalendern, die man in die Hände bekam, stand irgendetwas von Ende Mai oder Anfang Juni. An manchen Verkaufsstellen gab es Glace, und die Sommerfeste in und um unsere wunderbare Stadt standen vor der Tür. Irgendwas aber stimmte gar nicht. Die Leute trugen Wollmützen und Daunenjacken und tranken statt Feierabendbier am See erhitzten Feierabendschnaps in winterfesten Wirtshäusern. Irgendjemand drängte Petrus auf Twitter zum Rücktritt. Irgendjemand anders verkündete auf Facebook, er werde morgen Frau Holle vermöbeln. 

Am Bahnhof traf ich einen alten Bekannten. Er stieg von seinem Roller und musste die Handschuhe ausziehen, ehe er mich begrüssen konnte. Diese Scheissdiskussionen über das Scheisswetter würden ihm viel mehr auf den Sack gehen als das Scheisswetter an sich, fluchte er dann. Er habe vor vier Wochen beschlossen, einfach alles kommentarlos zu akzeptieren, was vom Himmel her kommt

Nur frühmorgens beim Radioeinschalten ergreife ihn jeweils eine bizarre Angst, gab er zu. Er befürchte jedes Mal, dass der nächste Song «Last Christmas» sein werde.

Fabian Sommer

Samstag, 25. Mai 2013

Burn: Das wars

Immer um diese Jahreszeit werde ich ein bisschen nostalgisch. Ich schaue in den Regen hinaus und denke mit einem Schaudern, das nicht nur von der Kälte kommt: Schön wars. Ich denke zurück, wie wir tagelang nur Röckli und Sandalen respektive T-Shirts getragen haben, die Jacken hingen kalt im Schrank. Die Badehose wurde gar nie richtig trocken, weil wir sie so oft brauchten, der Grill kühlte kaum ab. Die Fruchtfliegen zogen auf, verschmähten die clevere Essigfalle und setzten sich stattdessen auf die matschigen Thurgauer Erdbeeren, die wir zu essen vergassen, weil wir immer draussen waren. Auf dem Velo. Oder am Krebsenbach. Oder an einem Fest.

Wir assen das, was die Schnecken im neuen Garten unserer Freunde übrig gelassen hatten, ein paar Zucchetti, ein paar Rüebli, man musste nur ein bisschen die Frassstellen wegschneiden, dann gings. Zum Arbeiten stellten wir Ventilatoren auf den Schreibtisch. Wir legten ein wenig Speck an – all das Bier und die Pommes frites, Chips, Bratwürste, Glacen. Wir hatten Mückenstiche und Sonnenbrände und Blasen an den Füssen vom heissen Asphalt und schwitzten den ganzen Tag und konnten in der Nacht nie einschlafen, es war nicht immer angenehm.

Aber trotzdem schade. Schade, ist jetzt schon Oktober.

Sarah Pfäffli

Samstag, 18. Mai 2013

Bienne: Luchs und Lachs

In Biel war Lachs aus Alaska zum Aktionspreis zu haben. Ich kaufte 750 Gramm und überass mich.

Am Nachmittag traf ich einen alten Bekannten zum Verdauungsschnäpschen in einem Café, dem wir schon so lange die Treue halten, wie wir eben Schnäpschen trinken dürfen. Treue war unser Stichwort. Nebst den Menschen und Hockeyclubs, die man liebt, gebe es im Leben ja auch andere Dinge, denen man treu sein müsse, und zwar bedingungslos und auf ewig, dozierte der Bekannte. Der Bieler Tierpark sei zum Beispiel so ein Ding. Viele Nichtbieler, polterte er, wüssten gar nicht, «dass wir überhaupt einen Zoo haben». Dabei sei der Park herrlich, am Fusse des Bözingenbergs gelegen. Freier Eintritt, tolle, normale Tiere, nix Tiger oder Bären. Luchse, Wildschweine, Hirsche, solches Zeug. Und auf der Website könne man nachlesen, wann der Luchs beim Zahnarzt war.

Luchs in Biel und Lachs aus Alaska muss man in der Tat auf ewig treu sein, dachte ich.

Fabian Sommer

Samstag, 11. Mai 2013

Burn: Bern hat ein Problem

Ich bin gerade sehr weit weg von Bern, und manchmal sieht man erst aus der Ferne gut. Wie schön es zum Beispiel ist, dass wir Schweizer unseren (Gift-)Müll selten ins erstbeste Loch/Flussbett/Gebüsch schmeissen. Dass die Arbeitslosenquote bescheiden einstellig ist. Dass wir seit sehr langer Zeit keinen Krieg hatten. Schöne Grüsse vom Balkan!

Aber dann lese ich hier im Internet die Nachrichten von zu Hause und bin besorgt. Auch in Bern gibt es nämlich ein Problem. Immerhin ist es erkannt: «Es herrscht ein breiter Konsens, dass Handlungsbedarf besteht», heisst es. «Wir prüfen zurzeit verschiedene Massnahmen», sagt das zuständige Amt. Bereits sind «Abklärungen» im Gang und «verschiedene Aktionen geplant». Gott sei Dank. Vorerst wird eine «Sensibilisierungskampagne» ausgearbeitet. Sogar «ein Sicherheitsdienst» ist angesichts der Lage eine Option. Aber genau weiss man es noch nicht. Denn: «Über das definitive Massnahmenpaket wird der Gemeinderat befinden.» (Vielleicht bräuchte es eine Arbeitsgruppe, die eine umfassende Lagebeurteilung vornimmt und einen Lösungsvorschlag evaluiert?)

Hach. Wie schön es ist, in einem Land zu leben, in dem solche Gefahren ernst genommen werden! Gefahren wie die Schwimmer, die an Sommertagen vom Schönausteg in die Aare springen.

Sarah Pfäffli

Samstag, 4. Mai 2013

Bienne: Heimspiel

In Biel war Heimspiel, wobei das in unserem Fall ein sehr relativer Begriff ist. Seit Beginn dieser Saison muss der lokale Fussballclub, der einzig wahre FCB der Welt, seine Heimpartien der zweithöchsten Schweizer Spielklasse ja in Neuenburg austragen. Weil die Ligaführung entschieden hat, dass das schöne alte Stadion Gurzelen (Baujahr 1913) nicht sicher genug ist.

Ihr müsst euch das einmal vorstellen, liebe Nichtbieler: Unsere Heimspiele finden in einem anderen Kanton statt! 30 Kilometer von Biel entfernt! Absurd ist das. Etwa so, wie wenn die Berner Young Boys in Freiburg antreten müssten, wenn sie «zu Hause» spielen dürfen.

Am Tag nach dem Spiel traf ich einen alten Bekannten. Er hatte die Zahlen zum Desaster im Kopf: 230 Zuschauer hatten sich an den Match verirrt. Durchschnittlich waren bis jetzt 585 Nasen dabei, wenn der FCB ein Heimspiel austrug. Das seien genau halb so viele wie letzte Saison in Biel, brummte er. Dann aber verkündete er grosse News: Weil der Bau der neuen Bieler Stadien begonnen hat, schätzt der Verband das Risiko, auf der Gurzelen zu spielen, vorübergehend wieder als vertretbar ein. 2013/2014 spielen wir wieder im schönen alten Stadion!

Damit, meinte der Bekannte, bleibe uns auch der Super-GAU erspart. Wir müssen garantiert nie ein Heimspiel in Bern austragen.

Fabian Sommer

Samstag, 27. April 2013

Burn: Labil statt mobil

Wer in der Stadt wohnt und arbeitet, braucht kein Auto. Das war sehr lange meine Überzeugung. Aber wie es mit vielen hehren Prinzipien geht, werden sie mit der Zeit von praktischen Gedanken überholt. Inzwischen fände ich ein Auto super. Man könnte damit Ausflüge in Landbeizen machen und Roadtrips nach Italien, Gepäck hinten rein, Glacepapierchen auf den Boden, Mitsingen zur Musik. Im Zug undenkbar. Das Auto ist das fahrende autonome Kulturzentrum für jedermann. Ein bisschen Freiheit für Bünzlis.

Wenn es nur nicht so viel Pflege bedürfte! Das Auto ist wie ein Hund. Es braucht einen Platz und will gehegt werden, ist oft gefährlich, produziert viel Dreck, kostet unendlich und hat immer irgendwas.

«Mobility ist die Lösung!», höre ich jetzt. Blublabli. Da kann man gleich den Zug nehmen, so umständlich ist es. Zu diesem Verein möchte ich nicht gehören. Im Breitenrain kommen die Leute mit dem Velo zum Mobility-Parkplatz, fahren in die Ikea, kehren zurück und laden dann die vollen Ikea-Taschen aufs Velo, statt das Zeugs zuerst heimzufahren. Alles schon beobachtet. Zudem wird man im Mobility-Auto ständig als schlechter Fahrer beschimpft. Nein. Ich will kein Mitglied bei Mobility sein.

Ich bin eher der Typ Lability. Eigentlich will ich auch gar kein Auto, sondern Freunde mit Auto.

Sarah Pfäffli

Samstag, 20. April 2013

Bienne: Die Poetin

In Biel war Aufbruchstimmung. Und die war nicht wie üblicherweise bei uns nur spür-, sondern des ersten richtigen Frühlingstages wegen für einmal auch für alle sichtbar: Etwa drei Viertel der derzeit in der Stadt gemeldeten 37 758 Schweizer und 16 027 Ausländer bildeten eine sonntägliche Karawane Richtung Seeufer. Etwa 222 Tage lang hatte in Biel die Sonne nie mehr länger als 22 Minuten am Stück geschienen, es war zum Durchdrehen, Delirieren, Davonlaufen. Die Erlösung hätte keinen Tag später kommen dürfen, bemerkte eine alte Bekannte treffend, die auf Rollschuhen und mit Stängelglace und Kinderwagen Richtung See unterwegs war. Gemeinsam schauten wir dem Menschenzug einen Moment lang schweigend zu. Vor unserem inneren Auge sahen wir Bilder von Menschen, die vor Freude Transparente hochhalten, Lieder singen, Parolen skandieren, eine echt geile Demo veranstalten. Für die Sonne, für den Frühling, für das Leben bei Aussentemperaturen über 18 Grad. Dann riss uns eine junge Poetin mit ihrer jungen bieldeutschen Frühlingspoesie aus den Gedanken. Die 8-jährige Tochter der alten Bekannten rannte auf uns zu, streckte uns den Po entgegen und furzte mehrmals laut in unsere Richtung. Dann lachte sie und rief stolz: «Vier Fürz nachenang – usem Buuch der Rekorde!»

Fabian Sommer

Samstag, 13. April 2013

Burn: Nervige Schachtel

Jetzt, wo man wieder länger als fünf Minuten draussen sein kann, ohne an Erfrierungen zu sterben, beginnt in Bern die Outdoor-Schachsaison. Vor allem auf dem Bärenplatz, den die Kenner «Centre Court» nennen. Und auf der Bundesterrasse; da üben die Schachspieler glaubs, bevor sie sich auf den Bärenplatz wagen.

Ich kann Schach spielen, also ich könnte: Ich kenne die Regeln. Aber da ich nicht verlieren kann, ist dieses Spiel, pardon, dieser Sport für mich vielmehr Qual als Vergnügen und für meinen Gegner auch. Wenn Brettspiel, dann eher noch der peinvolle, aber schnelle Untergang bei einem Mühlespiel, die Unausweichlichkeit von Figge-Mühle, als das zähe Sterben einer Figur nach der anderen, das schmerzvolle Niederringen in Zeitlupe beim Schach.

Trotzdem hege ich eine Schachfantasie, und zwar die, auf dem Bärenplatz einer Schachpartie als nervender Klugscheisser zuzuschauen. Bei jedem Zug würde ich leise Kommentare abgeben. Mal den Kopf schütteln, mal die Augen rollen, mal die Luft durch die Zähne saugen und mit einem scharfen Ssss-Laut jede Aktion als hochriskant oder blöd taxieren. Ich stelle mir das lustig vor. Man könnte daraus einen TV-Sketch machen. Oder ich könnte es einfach als Privatvergnügen geniessen. Weil verlieren kann ich zwar nicht, aber im Drischnure bin ich im Fall super.

Sarah Pfäffli

Samstag, 6. April 2013

Bienne: Mittag in Biel

In Biel war Donnerstag, kurz nach 12 Uhr und damit Zeit für einen fixen Termin im grauen Alltag: Mittagessen mit dem immer gleichen alten Bekannten in der immer gleichen alten Knelle. Den Pferdefleischskandal schien hier kein Schwein mehr zu interessieren. Menü 1 war Pferdeentrecote, Menü 2 Lasagne, Menü 3 Vegihamburger. Ganz schön viele Fohlenhydrate, dachte ich.

Das Schöne am Donnerstagmittag ist ja, dass das Gröbste der Woche für die meisten vorbei ist und das Ende alles Bösen in just diesem Moment merkwürdig fassbar wird. Ich behaupte, dass die Mehrheit der Leute punkt Donnerstagmittag die Schwelle zum allwöchentlichen Gutdraufsein überquert.

Der alte Bekannte gehört auf jeden Fall dazu. Seine Schwester habe kürzlich einen 2-Fränkler verschluckt, sagte er mit einem Stück rosa gebratenem Rössli im Mund. Später seien vier 50-Räppler rausgekommen. Die Frau sei halt in den Wechseljahren.

Nach dem Essen musste ich noch Rindshackfleisch besorgen. Einfach, weil Donnerstagmittag war, fragte ich den Metzger, ob derzeit viel Pferdefleisch darin sei. Heute nicht, erwiderte der Mann im weissen Kittel. Ihm sei es gestern einfach zu mühsam gewesen, den verdammten Sattel durch den Fleischwolf zu bekommen.

Fabian Sommer

Samstag, 30. März 2013

Burn: Ausknipsen

Viele Menschen sind grosse Fans des Autofahrens, ich inbegriffen, aber im Normalfall fahre ich viel lieber Zug, stundenlang könnte ich das, und das muss ich auch, als Pendlerin. Aber manchmal verstehe ich die Autofanatiker auch ein bisschen. Nicht wegen Verspätungen oder Pannen oder teurer Billette oder so. Nein.

Das grosse Problem am öffentlichen Verkehr ist, dass er öffentlich ist. Da darf jeder mitfahren. Leider. Dabei stören mich nicht einmal mehr die Ärmsten, die sich in den Zug quetschen, bevor die anderen Leute ausgestiegen sind. Auch nicht die Rekruten, die Bier trinken und wüste Witze reissen (das ist quasi ihr Job). Die Paare, die «insgeheim» rumfummeln? Wenns ihnen halt Spass macht! Wandergruppen: Sollen sie doch stinkende Sandwiches essen. Nicht einmal der Mann nervt mich, der im vollen Zug mit seiner Grossmutter telefoniert und deshalb ganz laut reden muss, als er ihr etwa fünfmal erzählt, dass seine Freundin es nicht mochte, dass bei der Grossmutter noch ein Foto seiner Ex stand. WÄISCH GROSELI, SIE ISCH HÄSSIG WORE! Nein, die wirklich Üblen sind die, die sich im Zug die Fingernägel schneiden. Ihr Knips-Geräusch ist der Soundtrack meiner Albträume. Diese Woche tat es wieder einer. Die Nägel sammelte er und entsorgte sie im Mülleimer.

Er war eben gut erzogen.

Sarah Pfäffli

Samstag, 23. März 2013

Bienne: Hopp Zug!

In Biel war also alles vorbei. Der HC Bienne hatte den Viertelfinal ehrenvoll verloren und seine Anhäger in die Ferien entlassen. Vor dem Stadion und vor einigen alten Bekannten lüftete ich ein Geheimnis: Ja, es stimmt, vor wichtigen Spielen rieb ich meinen gelb-roten EHC-Biel-Schal (sanft) an meiner getigerten Katze. Und ja, es ist wahr, der Erfolg war überwältigend: Die drei letzten Heimspiele der Qualifikation gewann Biel alle zu null. Und in den Playoffs betrug die Erfolgsquote der Glückskatze immer noch sackstarke 42,9 Prozent.

Die Sache war also raus, und ich konnte mich ein paar Tage später wieder mit Hockey vergnügen: Auf der Facebook-Seite «Hardboiled SCB», die uns lehrt, das nicht alles, was aus Bern kommt, schlecht ist. Die dort gesammelten Berichte über die Spiele des SC Bern sind sogar grandios. Nach dem entscheidenden Sieg gegen Genf etwa stellte sich der Autor vor, wie Genf-Trainer McSorley «auf Raststätten die Kassenfrau beleidigt, eine Toilettenschüssel verschlägt und dem Gorbsan Benzin A einen auf die Nuss haut, weil er wegen seiner Achillessehne nicht spielen wollte».

Bisher hoffte ich als Biennois logischerweise stark auf ein baldiges Ausscheiden des SCB. Jetzt hoffe ich auf Selbiges noch viel stärker: Sobald die Saison für die Berner vorbei ist, erscheint das erste «Hardboiled»-Jahrbuch!

Fabian Sommer

Samstag, 16. März 2013

Burn: Zum Katzen

Katzen, Katzen, Katzen. In letzter Zeit begegnen mir überall Katzen. Erwachsene Menschen ziehen ihrem Büsi einen lustigen Hut an und stellen ein Foto oder Video davon ins Internet. Weil ähnlich wie bei Kindern findet man bei Katzen fast jede Doofheit lustig. Katze im Geschirrspüler, Katze in der Waschmaschine, Katze im Puppenwagen, Katze liegt, Katze steht, Katze gähnt – ja, es ist der Wahnsinn, Katzen können das einfach alles! Das eigene Image wird sorgsam gepflegt und gehätschelt, aber beim Büsi verlieren die Menschen jegliche Beherrschung. Wenn man schon keine Fotos von sich selbst hochladen darf, dann zumindest vom Tigerli. Quasi Stellvertreter-Peinlichkeit – und es scheint, als würden die Leute nicht einmal merken, wie viel sie mit ihrem Katzenauftritt von sich selber preisgeben.

Ich hatte auch mal ein Büsi, und das Erste, was ich von ihm lernte, war: Katzen sind immer der Chef. Sie trank nur frisches Leitungswasser, hatte sie Durst, setzte sie sich neben das Lavabo und miaute, bis man ihren Wunsch erhörte. Das gleiche Miauen, wenn sie nicht ins Schlafzimmer durfte, was sie nicht durfte, und wenn man sie dann doch liess, weil man das Gemiaue nicht mehr aushielt, stand sie einem auf der Brust herum, stapfte hin und her und schnurrte so laut, dass an Schlaf nicht zu denken war. Ich habe bestimmt noch Fotos von ihr, auf Facebook und Instagram und Twitter könnte ich damit viele, viele Klicks und Likes erzielen.

Meine Katze hiess Rocky, nach dem Boxer, weil sie als Baby so crazy und kämpferisch war. Dabei war sie ein Weibchen. Aber Katzennamen dürfen so sein. Ich kenne ein anderes Büsi, es heisst Schürli, weil es in einer Scheune gefunden wurde, und seine Besitzerin ruft es gern mit einem sehr hoch tönenden, langgezogenen «Schüüüüürrrlliiiii!», über das wir uns im Freundeskreis gern ein bisschen lustig machen. Ein anderes heisst Herr Huber – auch ein guter, eines Katers würdiger Name. Und Alex Capus hat ein Buch über eine Katze mit dem Namen König von Olten geschrieben. Ein super Name. Mein einziger Oltner Freund sieht den Kater regelmässig. Kürzlich, so hat er mir erzählt, habe der König von Olten bei ihm in den Garten gekotzt.

Schade, gibt es davon kein Foto. Ein Grosserfolg auf sämtlichen sozialen Netzwerken wären ihm sicher.

Sarah Pfäffli

Samstag, 9. März 2013

Bienne: In Grün

In Biel war Grün die Farbe der Stunde. In dieser schönen Couleur werden auf dem Teletext ja jeweils jene Hockeyteams markiert, die nach Ende der Qualifikation um den Meistertitel spielen dürfen. Der EHC Biel ist sehr grün, was uns Biennois ganz grün vor Stolz macht.

Die Farbe Grün kann aber noch aus anderen Gründen Spass bringen, wie ich bei einem Besuch einer Bar, die über lediglich eine Toilette für alle Gäste verfügt, lernen durfte. Vor dem Eingang zu ebendiesem WC stand ein alter Bekannter und grinste. Er zeigte auf die Stoppuhr, die auf seinem Handy lief. 21 Minuten und 11 Sekunden. «So lange», sagte der Bekannte, «wartet der Depp hinter mir nun schon vor der verschlossenen WC-Türe und macht sich fast in die Hose.» Ich beobachtete die in der Tat recht amüsante Szenerie einen Moment lang. Dann prüfte ich die Anzeige unter dem Türgriff. Sie stand auf Grün, das Schloss aber war verschlossen.

Als der Mann mit den Fäusten an die Tür hämmerte und laut fluchte, hatte der Bekannte ein Einsehen. Er nahm grinsend eine kleine Zange aus dem Hosensack und öffnete das Schloss, das er zuvor von aussen verschlossen hatte, wieder.

Dann bestellte er grüne Wodka-Shots für alle.


Fabian Sommer

Samstag, 2. März 2013

Burn: Wintercity

Ach, Winter, du schöner, langer, schneereicher! Wie angenehm ist es, ohne schlechtes Gewissen drinnen zu bleiben, rumzugammeln, fernzusehn, jetzt, wo es so viele gute TV-Serien gibt. Das Tram nehmen dürfen statt immer Velo fahren. Nicht joggen zu müssen, und überhaupt, vielen Dank, lieber Winter, dass du uns vor all dem Sport bewahrst, den wir sonst immer treiben. Es macht auch gar nichts, wenn wir deswegen ein bisschen dick werden, weil wir so gern Vermicelles essen und Güeziteig und später Randen und Eintöpfe und immer wieder mal ein wenig Schoggi. Du köstliche Jahreszeit! Sieht ja niemand, die paar Kilos, wir können haufenweise Kleider anziehen, niemand muss halb nackt herumlaufen, wir können jetzt Stiefel tragen und Schals und Jacken, alles gute Kleidungsstücke. Lange, heisse Bäder nehmen. Die Kälte macht schön und ist schön – nichts ist weisser als frisch gefallener Schnee. Breitenrain: Pulver gut! Die Wohnung ist wohlig warm geheizt, oh, wie froh sind wir darum – aber auf dem Balkon bleibt das Bier immer kühl, wir brauchen praktisch keinen Kühlschrank. Auch kein Auto. All die überzeugten Autofahrer steigen wegen dir kleinlaut auf den öffentlichen Verkehr um, zumindest ab und zu. Winter, du schöner! Du hast so viele wunderbare Seiten. 

Aber jetzt ist dann im Fall mal gut. 

Sarah Pfäffli

Samstag, 23. Februar 2013

Bienne: Wurzel des Übels

In Biel war die Fasnacht zu Ende. Zum Glück, bemerkte ein alter Bekannter beim Fussballgucken in einem irisch-bielerischen Pub. Ihm erschliesse sich die Welt der fünften Jahreszeit nicht, meinte er. Es brauche wohl spezielle Muttermilch oder ein Erlebnis in der Kindheit, um die Faszination des Saufens in Kostümen zu verstehen – und das anschliessende wochenlange Konfettipicken in der Wohnung zu rechtfertigen. 

Mir fiel ein, dass die Fasnacht auch einen Bieler Radiomann zu verwirren schien. «Der Papst gab seinen Rücktritt während einer Karnevalsveranstaltung im Vatikan bekannt», hatte er letzte Woche in den Nachrichten gesagt, sich geräuspert und dann gemurmelt: «An einer Kardinalsversammlung, Entschuldigung.» In der Pause des Spiels zappte der Pubchef auf den lokalen Fernsehsender, wo die Wiederholung des Fasnachtsumzugs vom Sonntag lief. Mir wurde schlagartig klar, weshalb auch ich die Faszination des Fasnachtszeugs mit jedem Jahr weniger nachvollziehen kann. Du hast recht, rief ich dem Bekannten zu. Natürlich hat es mit der Kindheit zu tun! 

Als Knirps war ich oft als Cowboy oder Clown oder Cäsar an die Fasnacht gezogen. Unmittelbar danach lag ich jedes Jahr eine Woche krank im Bett. 

Fabian Sommer

Samstag, 16. Februar 2013

Burn: Fachnast

Ich sags jetzt mal ehrlich: Fasnacht ist was Schönes für Kinder und ansonsten ganz furchtbar. Es ist die einzige Gelegenheit für viele gewöhnliche Menschen, die Sau rauszulassen (ich schreibe jetzt nicht: ihr wahres Gesicht zu zeigen). Ein Fest, an dem Männer in den Hauseingängen pinkeln, weil man das ja darf, so verkleidet, und mit derselben Legitimation Frauen angrapschen. Diese wiederum verkleiden sich alle: «sexy». Als Polizistinnen und Krankenschwestern, Teufelchen und Hexen. Es ist, als würde die ganze Stadt Polterabend feiern. 

Und dann geh ich trotzdem immer. Aber weil ich mich jedes Mal erst in letzter Sekunde dazu durchringe, habe ich kein ausgefeiltes Kostüm, sondern ende zum Beispiel als YB-Hooligan mit schwarzer Kapuze und Knoten im Schal an der Bar im Schlachthaus und habe ein bisschen Angst, dass ein richtiger Hooligan vorbeikommt. Oder zwei. Dann trinke ich genug, und es wird doch irgendwie lustig, und ich denke mir aus, wie man sich noch verkleiden könnte: als Round Table Knights, als Kutti MC, als Simone Niggli-Luder oder als jenen Mann, der immer in den kurzen Turnhosen und mit Plastiksack durch die Stadt stapft. Viele schöne Ideen habe ich, und ich denke: nächstes Jahr! Aber dann sehe ich jemanden kötzlen, höre eine Guggenmusik «Eye of the Tiger» spielen – und weiss es wieder. Fasnacht ist ganz furchtbar. 

Sarah Pfäffli

Samstag, 9. Februar 2013

Bienne: Alt sein

In Biel war wenig los und viel Zeit für Gequatsche an Bartresen und Beizentischen. Ein alter Bekannter und ich kamen dabei zum Schluss: Wir sind jetzt alt. Weil: Unanständige/ schlecht erzogene Menschen regen uns plötzlich echt auf. 

Auf der Post zum Beispiel wollte ich diese Woche 49 Briefe auf einmal aufgeben. Die Dame am Schalter beschied mir, Massensendungen seien erst ab 50 Briefen möglich. Ich musste 49 Marken aufkleben. 

Ein paar Tage zuvor war ich an einem Hockeyspiel in Olten. Dort erzählte ein Insider, dass sich das Maskottchen Speedy – ein Mann in lustigem Mauskostüm– nicht mehr traue, durch den eigenen (!) Fansektor zu tänzeln. Es werde dort bedroht und bekomme regelmässig zu hören, es habe Geschlechtsverkehr mit seiner Mutter. 

Der Bekannte schliesslich war zufällig dabei, als ein Mann vor einem Block in Biel-Mett beim Zeitungsvertragen versehentlich einen Briefkasten ausliess und ihn eine Bewohnerin deshalb zusammenstauchte. Als sich der Verträger entschuldigte und ihr eine Zeitung überreichte, warf sie diese zu Boden. Sie sagte: «Den Scheiss lese ich eh nicht.» Als wir jung waren, fanden wir so Zeugs lustig, sagte ich. Oder es war uns egal. Aber aufregen? 

Der Bekannte nickte stumm. 

Fabian Sommer

Samstag, 2. Februar 2013

Burn: Jugend bleibt

Diese armen Jugendlichen! Nie können sie es recht machen. Wenn sie drinnen rumhängen und Facebook angucken und Killergames spielen und dick werden, ist es nicht gut. Und wenn sie draussen rumstehen, passt es wieder niemandem. Jetzt will man sie auch noch vom Berner Bahnhofeingang vertreiben.

Ich bin da sehr dagegen. Schon nur aus Eigeninteresse. Wo sonst hat man heute noch die Möglichkeit, junge Menschen in ihrem natürlichen Habitat zu beobachten? Überall wurden sie verjagt. Dabei sind Jugendliche sehr unterhaltsam, sie machen lustige Geräusche und sehen originell aus in ihrem Bemühen, cool zu sein. Vor denen braucht auch niemand Angst zu haben, die sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

Vielleicht sind die Erwachsenen auch bloss neidisch, weil sie selbst keine Zeit mehr haben, die sie totschlagen könnten. Von mir aus dürfen deshalb auch die Eltern ruhig irgendwo rumhängen, wenn sie wollen. Unter dem Baldachin hats noch Platz. Auch die Jugend aus Kehrsatz und Unterseen ist eingeladen. Ich hätte damit kein Problem. In einer gewissen Phase im Leben muss man nun mal rumlungern. Es ist eine gute Beschäftigung. Wie viel Zeit haben wir früher mit Rumlungern verbracht!

Und aus uns ist ja nun wirklich was geworden.

Sarah Pfäffli

Samstag, 26. Januar 2013

Bienne: Le Poulain

In Biel war die Stimmung schlecht. Schnee vermischte sich mit Regen und Salz zu einer graubraunen Sauerei, die an Schuhen klebte und Nerven strapazierte. Als ich in den 17.42-Uhr-Bus Richtung Vorhölzli stieg, wünschte ich mich weit weg, nach Santo Domingo oder La Réunion.

Da holte mich eine junge Dame, die aufgeregt telefonierte, allerdings rasch zurück. Sie sprach Französisch und laut. «Ich rufe wegen des Tests an», schrie sie in ihr Handy. «Wegen des Vaterschaftstests!» Die wenigen weiteren Wintergeschädigten im Wagen wurden hellhörig. Und sie bekamen einiges zu hören: «Ich habe alles geschickt! Die Haare, den Speichel! Alles! Ich brauch jetzt Antwort», sagte die Frau. «Ich kann doch dem armen Teufel nicht alle paar Tage Haare ausreissen! Ich brauche jetzt endlich Gewissheit!» Und schliesslich: «Bon, dann ruf ich morgen um 8 Uhr noch mal an!» Als die Frau das Gespräch beendet hatte, merkte sie, dass sämtliche Reisende im 17.42-Uhr-Bus Richtung Vorhölzli mitgehört hatten und sie jetzt anstarrten. Sie lachte auf und sagte: «Il s’agit d’un poulain, putain!» Es geht um ein junges Ross, zum Teufel!

Fabian Sommer

Samstag, 19. Januar 2013

Burn: Ohm!

Es tut einfach sooo gut!», sagen die Leute und seufzen, wenn man sie fragt, warum sie Yoga machen. Dabei bekommen sie diesen leicht verklärten, glänzenden Blick. Was an Yoga genau so unglaublich ist, kann aber niemand erklären, es scheint ein wahnsinnig gut gehütetes Geheimnis zu sein. «Man muss es einfach probieren!» Inzwischen probiert es die halbe Stadt. Längst verbiegen sich in den Yogastunden nicht mehr nur Frauen. Zunehmend machen auch Männer Yoga, obwohl die immer schnarchen in der Schlussentspannung, weil Männer ja wahnsinnig schnell einschlafen, während die Frauen in ihren Gedanken die Arbeitswoche planen und eine Einkaufsliste notieren und überlegen, was sie danach wohl essen sollen. Entspannen ist wahnsinnig anstrengend.

Yogastudios sind die neuen Coiffeursalons in Bern. Allein vor meiner Haustüre liegen zwei. Wer genug hat vom Büro, macht eine Yogalehrerausbildung oder unternimmt eine nette Drittweltreise nach Indien: Auszeit in einem Ashram in Goa. Es ist eine Volksbewegung. Wäre Yoga ein politisches Programm, die Yogapartei würde aus dem Stand zehn Stadtratssitze holen.

Natürlich mache auch ich Yoga. Ja, ja, das können sogar ganz unbewegliche Menschen. Und es tut einfach soooo gut. Man muss es nur ausprobieren.

Sarah Pfäffli

Samstag, 12. Januar 2013

Bienne: Echte Bieler

In Biel war Zeit des Abschieds. Zum Jahresbeginn mussten wir leider, leider zwei Menschen Adieu sagen, die das Leben in unserer Stadt während rund 100 Tagen geprägt hatten. Die nordamerikanischen Hockeygötter Tyler Seguin und Patrick Kane, die den EHCB während des NHL-Lockout veredelten, sind leider, leider weg.

Die beiden seien nicht nur auf dem Eis unerreicht geblieben, schwärmte man beim Tee Rum in der ersten Heimspielpause 2013. So ist Seguin öfters frühmorgens in der rauchgeschwängerten Coupole aufgetaucht. Einmal hatte er sieben gut aussehende Teenager dabei.

Für einen EHC-Biel-Spieler dürfte das Rekord sein.

Seguin und Kane sei es eben gelungen, innert Wochen auch jene unverwechselbaren Eigenschaften anzunehmen, die einen echten Bieler ausmachten, meinte ein alter Bekannter.

Der EHCB-Manager bestätigte diese These später im Radio. Nachdem Tyler Seguin und Patrick Kane aus ihren Wohnungen ausgezogen waren, habe ein Putzinstitut einen «grösseren Auftrag» erhalten, sagte er. Zwei Tage lang habe dann ein «Suchtrupp» versucht, Seguins Clubauto aufzuspüren. Man fand es schliesslich im Parkhaus 3 des Flughafens Zürich.

Goodbye, ihr Biennois!

Fabian Sommer

Samstag, 5. Januar 2013

Burn: Kann ja sein

Das neue Jahr ist gerade erst geschlüpft, es ist ganz frisch, sein Platz in der Geschichte noch nicht bestimmt. Diese ersten Tage des Jahres fühlen sich an wie ein Versprechen, wie jener Moment am Morgen, wenn man grad erwacht ist, aber für einige Sekunden lang keine Gedanken hat. Eine wunderschöne Leere. Noch ist alles möglich. Möglich, dass das ein supergutes Jahr wird, das beste ever. Kann ja sein, dass es in der Liebe endlich klappt oder einfach gut bleibt und leicht. Dass wir einen tollen neuen Job finden oder den alten wieder mögen. Dass die Bedienung in jedem Restaurant so herzlich ist wie im Café Postgasse, wäre das nicht schön! Dass das Tram immer grad erst kommt und nie vor zehn Sekunden abgefahren ist. Dass wir blöde Initiativen wuchtig verwerfen. Dass sich die Schulter selber heilt oder das Knie und dass der Zahnarzt kein Loch findet. Dass «Tanz dich frei» im Mai stilvoll wird. Dass das Gurtenfestival eine Partnerschaft mit dem Coachella Valley Festival eingeht und ein grandioses Programm auf die Beine stellt. Dass die Taxifahrer plötzlich mit Freude kurze Strecken fahren. Dass der Sommer lang wird. Dass die Reithalle kein einziges Problem macht. Keins! Dass neue englische Wörter erfunden werden, sodass keine einzige Band mehr «fly» auf «high» und «sky» reimen muss.

Kann ja sein! Noch kann dieses Jahr alles sein.

Sarah Pfäffli