Samstag, 20. April 2013

Bienne: Die Poetin

In Biel war Aufbruchstimmung. Und die war nicht wie üblicherweise bei uns nur spür-, sondern des ersten richtigen Frühlingstages wegen für einmal auch für alle sichtbar: Etwa drei Viertel der derzeit in der Stadt gemeldeten 37 758 Schweizer und 16 027 Ausländer bildeten eine sonntägliche Karawane Richtung Seeufer. Etwa 222 Tage lang hatte in Biel die Sonne nie mehr länger als 22 Minuten am Stück geschienen, es war zum Durchdrehen, Delirieren, Davonlaufen. Die Erlösung hätte keinen Tag später kommen dürfen, bemerkte eine alte Bekannte treffend, die auf Rollschuhen und mit Stängelglace und Kinderwagen Richtung See unterwegs war. Gemeinsam schauten wir dem Menschenzug einen Moment lang schweigend zu. Vor unserem inneren Auge sahen wir Bilder von Menschen, die vor Freude Transparente hochhalten, Lieder singen, Parolen skandieren, eine echt geile Demo veranstalten. Für die Sonne, für den Frühling, für das Leben bei Aussentemperaturen über 18 Grad. Dann riss uns eine junge Poetin mit ihrer jungen bieldeutschen Frühlingspoesie aus den Gedanken. Die 8-jährige Tochter der alten Bekannten rannte auf uns zu, streckte uns den Po entgegen und furzte mehrmals laut in unsere Richtung. Dann lachte sie und rief stolz: «Vier Fürz nachenang – usem Buuch der Rekorde!»

Fabian Sommer

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