Samstag, 30. Mai 2009

Bern: Indianer

Neulich am Bahnhofplatz, unter dem rostenden Baldachin, schwappt eine Welle Tieftöne über den Asphalt, bis zum Hirschengraben hört man es. Tammtammtammtamm!, klingt es schwer und ernst, und mir ist subito klar: Huch, die Indianer sind in der Stadt.

Also, das heisst eine Panflötenband. Die faszinieren ja wahnsinnig. Klang gewordene Traumfänger. Da bleiben die Leute vor stehen, stellen die Migros-Papiersäcke in die Pfütze, egal, weil die Musik ist so durchdringend, total kulturell, in Südamerika, da zählt die Tradition halt noch etwas, und dann diese tollen Kostüme.

Früher waren das ja noch richtig grosse Stämme. Inzwischen sind sie manchmal nur noch zu zweit. Dafür mit krassem Verstärker. Müssen ja alle sparen.

Denk ich mir. Beschleunige meinen Schritt und stopf mir iPod-Hörer in die Ohren. Als Schutz vor Ohrenkrebs. Weil im Gegensatz zu Vogel- und Schweinegrippe ist hiermit nicht zu spassen.

Das ist eine echte Pan-demie.

Sarah Pfäffli

Samstag, 23. Mai 2009

Bienne: Ohrestäbli

In Biel war Morgen, es gab Brunch bis 16 Uhr, und ich traf einen alten Kollegen. Er habe an der Braderie einen Mann gesehen, das glaube man nicht, berichtete er.

Die Braderie, muss man wissen, ist für Bieler so ziemlich das wichtigste und schönste und gefährlichste Fest der Welt. Alle trinken drei Tage lang sehr viel. Alle essen Grillzeugs und frittierte Früchte und fettige Frühlingsrollen. Alle tanzen mit allen. Brasilianerinnen mit Jurassiern, Afrikaner mit Mädchen aus Wengi bei Büren. Und alle sind irgendwie Bieler.

Er habe an der Braderie also diesen Mann gesehen, sagte der Kollege. Der Typ sei am Samstagmittag durch die gefühlten 50000 Menschen in der Stadt gelaufen, mit einem Wattestäbchen im Ohr. Er zeichnete mit der linken Hand ein Wattestäbchen in die Luft vor seinem Ohr. So! Jetzt schrie der Kollege. Ohne Scheiss!

Er habe den Mann dann angesprochen. Oh, habe der Unbekannte mit weissem Traineroberteil gesagt. Hab ich im Ohr vergessen, das Stäbli. Merci, hä.

Fabian Sommer

Samstag, 16. Mai 2009

Bern: BEA

Neulich war BEA, und wenn jemand fragt, wie ich das gemerkt habe, dann rufe ich: Das sieht man doch!

Und zwar daran, dass Hockey vorbei ist und trotzdem so viele Landmenschen in der Stadt rumlaufen. Daran, dass überall Familien sitzen und Sandwiches essen und Tee aus der Feldflasche trinken, die Kinder tragen Sponsorenhüte: Alinghi. John Deere. Landi; die Eltern tragen Regenjacken, Vater und Mutter die gleiche, unisex, zweifarbig. Wenn es nicht regnet, kann man die um die Hüfte binden.

Derweil ärgern sich die Stadtmenschen, weil die BEA-Touristen Rolltreppen und Trams verstopfen und überall im Weg stehen und immer so! langsam! gehen. Aber auch die BEA-Besucher sind froh, wenn sie nach der Weindegustation wieder heim können, weil: Ach, in diesem Bern ist es so hektisch, und nirgends ein Grün!, da haben wir es schon schön in Dings-wil!

Am Wochenende müssen sich die Stadtleute von all dem Ärger erholen. Auf einer Wanderung durch Dings-wil. Landluft schnuppern halt.

Sarah Pfäffli

Samstag, 9. Mai 2009

Bienne: Schwinli

In Biel gabs Käseküchlein mit Weisswein für fünf Franken, und ich traf einen alten Freund.

Seine Söhne, berichtete er, hätten sich vor ein paar Jahren nichts sehnlicher gewünscht als zwei Meerschwinli. Er sagte das so, weil er Bieler ist und bilingue, die welschen Gene aber dominieren und sein Bieldeutsch deshalb manchmal lustig tönt. Ich sah davon ab, ihn zu korrigieren.

Das Problem sei gewesen, erzählte der Freund, dass die Schwinli (die er seinen Söhnen natürlich gekauft hatte) auf der Prioritätenliste der Jungs bald weit hinter Playstation, Kiffen und Komatrinken rutschten und hinter die anderen Dinge, für die sich Kinder sonst noch so begeistern.

Die Schwinli aber hätten sich trotz reichlich uninspirierter Pflege rasend schnell verdoppelt. Er meinte natürlich vermehrt. Auch hier sah ich aber davon ab, ihn zu belehren.

Er habe die kleinen Schwinli dann jeweils einem Kollegen gebracht, berichtete der Freund. Der halte sich eine Boa.

Fabian Sommer

Samstag, 2. Mai 2009

Bern: Fertig los

Neulich war Frühling, und die grosse Frage im Frühling in der Stadt ist: Wo können wir rumliegen und etwas Salziges essen? Weil sams- und sonntags sind das die zwei Dings, die ein junger Körper braucht.

Also ab in den Rosengarten. Dort sind aber alle, keinen Meter kann man flanieren, ohne – ups – über jemanden zu stolpern, und so stellt sich das Tourismusproblem: Eigentlich will man schon dort sein, wo Leute sind. Aber wenn dann alles voll Mensch ist, fühlt man sich so dumpf pauschaltouristisch.

Dann dieses Grüssproblem: Grüsst man namenlose Halbbekanntschaften? Und wenn sie nicht zurückgrüssen? Ist es ein wenig peinlich, oder? Aber weggucken ist auch doof. Ach.

Drum: Wenn der Frühling nur so blüht und summt und drängt und sich alle hormongetrieben auf dem Rasen wälzen – dann lege ich mich ins kühle, dunkle Kino, esse salziges Popcorn und grüsse gar niemanden. Der Frühling ist eh überbewertet. Man braucht ihn gar nicht, wie man ja wohl im Sommer sieht.

Sarah Pfäffli