Samstag, 24. April 2010

Bienne: Vögel

In Biel war Mittag und Sonnenschein, man konnte wieder einmal draussen essen. Ich traf eine alte Bekannte.

Wir verdrängten das anstehende Leben-oder-Tod-Hockeyspiel vom Wochenende und streiften dafür im Gespräch kurz die Berner Bärenbabys. Viel süsser, sagte die Bekannte, sei das Bieler Biberbaby, das seit kurzem im Parc d’Elfenau lebe.

Wir erfanden weitere Tierkinderalliterationen, die Zürcher Zwergziege, das Solothurner Stachelschwein und die Schwarzenburger Suppenschildkröte etwa.

Dann wurde unsere Frühlingsdiskussion jäh durch eine recht merkwürdige Afrobielerin unterbrochen. Die Gute postierte sich auf der Terrasse des Restaurants, tigerte hin und her und gestikulierte wild vor sich hin. Dazu schrie sie in einer uns unbekannten Sprache auf ein imaginäres Gegenüber ein.

Sie liebe unsere Stadt und ihre verwirrten Vögel, meinte die alte Bekannte.

Fabian Sommer

Samstag, 17. April 2010

Bern: Eishockey

Ich bin eine Eishockey-Skeptikerin. Nicht der Sport stört mich; der ist bei mir als schönes, hartes, schnelles Männerspiel beliebt. Sondern die Fans. Ich fühle mich unter ihnen, nun ja, nicht daheim. Die einzige Ausnahme bilden – Achtung jetzt – die Anhänger des EHC Biel.

Meine Sympathien für sie gründen in einem Schlüsselerlebnis: Vor ein paar Jahren stand ich an einem Biel-Match in der Fankurve, als neben uns zwei glatzköpfige Männer auftauchten, die ihre rechte Gesinnung nicht eben verbargen. Die Bieler Fans bemerkten sie, vergassen das Spiel und skandierten so lange «Nazis raus!», bis die zwei gedemütigt von dannen zogen. Ich hatte Gänsehaut.

Am Donnerstag war ich nun wieder mal an einem Biel-Spiel. Der EHCB lag in der Serie vorne und verlor logischerweise 1:5, weil auch die Bieler eben Berner sind und sich schwertun mit der Favoritenrolle. Nachdem Lötscher kurz vor Schluss doch noch zum Ehrentor getroffen hatte, forderten die Bieler Fans: «Egalisez! Egalisez!». Et c’est pour ça que j’aime les Biennois.

Sarah Pfäffli

Samstag, 10. April 2010

Bienne: Stöckli

In Biel war bald Wochenende, und für einmal wurde die Wahlpropaganda von Rechtsaussenparteien wie der SVP Realität: Es herrschte ein Klima der Angst.

Es war nicht die Angst vor Ausländern, Kriminellen, Hip-Hoppern, saufenden Teenies, SCB-Fans. Es war echte Angst. Angst vor dem Fall ins Bodenlose. Vor schmerzhafter Leere. Angst vor Eishockey in Liga B.

Für den EHC Biel stand die Ligaqualifikation an, und ich wollte niemanden treffen.

Hatte Anfang Woche mit dem EHCB-Präsidenten gesprochen. Ihm gehe es sehr schlecht, sagte er. Hatte vom EHCB-Chefberichterstatter der Lokalzeitung gehört. Er könne nicht mehr und habe sein Amt abgegeben, hiess es. Hatte versucht, Stadtpräsident Hans Stöckli anzurufen. Zumindest das linderte die prädescente Depression ein wenig. Auf seiner Combox hat der Mann den schönsten Bieler Lokalpatriotenspruch für seine Zwecke adaptiert: «Ici, c’est Stöckli.»

Fabian Sommer

Samstag, 3. April 2010

Bern: Genauso, nur anders

Am Bahnhofeingang auf jemanden warten ist eine gute Übung für die Toleranz. Nicht nur demjenigen gegenüber, der einen versetzt. Hier, im Rauchverbotsgrenzgebiet und nah am Alkoholnachschub, machen Jugendliche tagein und vor allem tagaus das, was nur Jugendliche können: rumlungern.

Die Mädchen-Jugendlichen haben die Haare selbst blondiert und Extensions drangepappt. Dazu tragen sie spassige Sonnenbrillen und sonst möglichst wenig. Die Buben-Jugendlichen sind entweder Rap oder Heavy, diese Dualität gilt seit Menschengedenken. Mädchen- und Buben-Jugendliche tun so, als fänden sie einander doof. Je später der Abend, desto besoffener sind oder spielen die Jugendmenschen. Sie rauchen viel und schreien manchmal, um Passanten zu erschrecken.

Ich stehe da so in den Rauchschwaden eines brennenden Aschenbechers, in dieser Übergangszone zur Stadt, zum Rauchen, zum Erwachsensein. Schaue ein wenig zu und finde das alles sehr doof.

Dann lächle ich tolerant. Ich war mal genauso. Einfach in anders.

Sarah Pfäffli