Samstag, 28. Mai 2011

Burn: Halbtax

Ein interessantes städtisches Samstagsphänomen nennt sich halbelen. Kurz vor Ladenschluss rennt man noch in den Coop und kauft irgendwelchen absurden Kram zum halben Preis, den der Laden sonst wegschmeissen muss. Dann freut man sich sehr stolz über das Schnäppchen. (Dabei kauft man natürlich lauter Zeug, das man zum Normalpreis nie gekauft hätte, und spart so überhaupt nicht, im Gegenteil. Aber darum gehts ja nicht.)

Ich bin eher ein Zufallshalbeler – mal ein paar Mangoschnitze, wenn mich der rote Halbpreispunkt darauf anschreit, oder ein Salat, der dann schlecht wird im Kühlschrank.

Scheints gibt es aber auch richtige Profihalbeler. Die tummeln sich samstags etwa ab 15.45 Uhr im Riesen-Coop-Center im Stade de Suisse. Gemächlichen Schrittes, aber mit wachem Blick, ziehen sie eine gute Stunde lang ihre Runden um Frischprodukte und Kühlregale, um nie den Moment zu verpassen, wenn ein Ladenmitarbeiter eine gerade heruntergeschriebene Ware zurück ins Regal legt. Die Profihalbeler sind auch gern zu mehreren auf der Lauer. Manchmal reissen sie den Angestellten Spargeln und Bioerdbeeren geradezu aus den Händen. Am besten (oder schlimmsten, ähm), sei das Spektakel vor Feiertagen.

Bald ist Pfingsten. Das werd ich mir ansehen. Und vielleicht halbele ich ja grad ein paar Sushi.

Sarah Pfäffli

Samstag, 21. Mai 2011

Bienne: 100

In Biel war Samstagnachmittag, und die Leute kamen in Scharen aus der Provinz zurück. Der Grand Prix von Bern war eben zu Ende gegangen. Für die meisten Bieler Läufer, und das sagte ein alter Bekannter vor seinem grossen Bier im Brustton der Überzeugung, sei der GP eh nur eine lockere Trainingseinheit. Mitte Juni, da warte die echte Herausforderung, der 100-Kilometer-Lauf von Biel. Der Hunderter, sagte er, sei was für echte Kerle, nicht so 16-Kilometer-Larifari-Zeugs.

Die Zahl 100 wiederum war für mich ein Steilpass. Ich erwähnte, dass ich gerade daran sei, diesen 100. Text der Reihe «Bern Baby Burn – Ici c’est Bienne» zu verfassen. Deshalb dürfe ich vielleicht kurz auf die verdankenswerte Arbeit meiner Kollegin Pfäffli hinweisen: Sie hat alle bisher erschienenen Bern-Biel-Texte auf einem sehr hübschen Blog zusammengestellt: bernbiel.blogspot.com.

Das sei ihm doch egal, meinte der alte Bekannte nur. Ich solle erst mal so hart arbeiten wie der legendäre Seeländer Ultralangstreckenläufer Aribert Hannappel, dann würde er wieder mit mir über Zahlen reden. Hannappel, der übrigens auch gut töpfert, absolvierte den Hunderter sagenhafte 37-mal in Serie, und zweimal sogar doppelt. Er kam ins Ziel – und lief die 100 Kilometer gleich noch einmal, ohne Pause.

Fabian Sommer

Samstag, 14. Mai 2011

Bern: Keuchen und kotzen

Dieses Jahr brauchte es etwa ein halbes Dutzend Begegnungen mit rotgesichtigen, ebenso fest keuchenden wie entschlossenen Hobbyläufern, bis ich realisierte: aha, bald Grand Prix. Das ist, wenn ein paar Tausend Leute ihre Knie ruinieren und sich auskotzen und danach sagen, es sei einfach ein super Gefühl. Jeden Frühling das Gleiche in Bern – plötzlich sind alle am Secklen, und niemand hat mehr Zeit für gesunde Feierabendaktivitäten, weil alle noch den Aargauerstalden üben oder sich im Fachgeschäft Joggingzeug wie Anschnallvorrichtungen für den iPod kaufen müssen.

Doch trotz gewisser Vorbehalte verfolgte ich dieses Jahr die Vorbereitung eines meiner Gspänli auf den Grand Prix mit einer Mischung aus Bewunderung und schlechtem Gewissen. Weil so ein bisschen mehr Sport wäre ja schon gut. Und die schönsten 10 Meilen der Welt. Und Ziele erreichen. Und Runner’s High. Und Bliblablu.

Dann aber hörte ich vom Vorsatz eines anderen Gspänli: Er wolle als einziger Berner in die Geschichte eingehen, der zu Lebzeiten weder an einem Konzert von Patent Ochsner und Züri West gewesen ist noch am Grand Prix teilgenommen hat.

Die ersten beiden hab ich schon verpatzt. Aber Letzteres sollte auch für mich noch möglich sein. Man kann im Fall alles schaffen, wenn man nur will.

Sarah Pfäffli

Samstag, 7. Mai 2011

Bienne: Auf dem See

In Biel war seit ungefähr einhundert Tagen Sommer. Die meisten Grillroste in der Gegend waren mit Fleischresten beklebt, auf den Trottoirs lagen gelbe Blütenstaubansammlungen. Und alle Leute hatten weisse Sonnenbrillenabdrücke auf den Gesichtern. Von weitem sahen sie aus wie Ausserirdische.

Wunderbar, dieser Sommer im April, summte ein alter Bekannter, den ich auf dem Markt in der Altstadt antraf. Er kaufte gerade Geisskäse aus dem Jura, als es tatsächlich wieder einmal zu regnen begann. Also lud ich ihn auf einen Frühschoppen ein. Wir tranken ein Frappé mit Schuss und tauschten Themen aus den letzten einhundert Tagen aus. Das heldenhafte Cup-Aus unseres Fussballclubs. Der Sonnenbrand auf den Schienbeinen. Die menschenunwürdige Regelung, wonach Getränke ab 0.30 Uhr nicht mehr auf Restaurantterrassen serviert werden dürfen.

Die beste Geschichte aber habe er kürzlich beim Fischen auf dem See erlebt, sagte der Bekannte. Auf einem Pedalo vis-à-vis seines Bootes seien vier Männer gesessen: zwei kleine Jungen vorne an den Pedalen. Hinten raus, mit den Füssen im Wasser, ihre Väter. Mit Bier.

«Ihr habt eure Jungs aber gut erzogen», habe er zu ihnen gesagt, erzählte der Bekannte. «Irgendwann», habe der eine Vater dann geantwortet, «muss sich das Kindermachen ja mal lohnen.»

Fabian Sommer