Samstag, 24. November 2012

Burn: Duschen gegen Seich

Etwas vom Besten am Stadtleben ist die Anonymität. Dass den Menschen, anders als im Dorf, niemand dreinredet, nachspioniert, sie kontrolliert. Die Tratschhäufigkeit verhält sich meiner Erfahrung nach umgekehrt proportional zur Menschendichte. Ich zum Beispiel sehe von meinen Nachbarn nicht viel mehr als den Namen ihres WLAN. Und das ist völlig in Ordnung so.

Aber, natürlich, ja ja ja: Die Anonymität hat ihre Schattenseiten. Ein Bekannter wohnte an der Aarbergergasse. Am Wochenende wurde sein Hauseingang jeweils in ein Pissoir verwandelt. Um den Seich zu bekämpfen, installierte er eine Webcam. Von da an wurden die Pisser nicht nur live ins Internet übertragen, es erwartete sie auch eine Dusche, wenn ein Bewohner sie auf frischer Tat ertappte. Hinter der Haustüre stand stets ein Wasserkübel wurfbereit.

Manchmal belästigen einen aber auch anonyme Nachbarn ungehemmt. Eine Freundin von mir veranstaltete eine Grillparty im Gärtli, als von oben plötzlich ein Joghurt geflogen kam. Der Becher landete einen halben Meter neben einem Baby, das in seinem Babybehälter schlummerte. Es gab dann viel zu reden über den Vorfall im Quartier. Die Spekulationen über den Joghurtterroristen waren wild und zahlreich. In solchen Momenten ist eben auch die Stadt nur ein einziges, überdimensioniertes Dorf.

Sarah Pfäffli

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